„Perché sono tutti cattivi“: Strategien der Anziehung und Abstoßung in Gomorra – La serie

Tanja Weber

Die erste Staffel von Gomorra – La serie handelt von der fiktiven Camorra-Familie Savastano und deren Auseinandersetzungen mit externen und internen Rivalen, vor allem nachdem die Verhaftung des Clanbosses ein Machtvakuum hinterlässt.1 Sie wurde vom 6. Mai bis zum 10. Juni 2014 auf dem italienischen Kanal des Pay-TV-Senders Sky ausgestrahlt. Die deutsche Erstausstrahlung erfolgte auf Sky Atlantic HD vom 10. Oktober bis zum 19. Dezember 2014.2 Die Serie hatte in Italien durchschnittlich 700.000 Zuschauer (mit einem Peak in den letzten beiden Folgen von durchschnittlich 850.000 Zuschauern), 44.200 Tweets (ebenfalls mit einem Hoch von 13.700 Tweets zum Staffelfinale) und wurde in über 50 Länder verkauft. Damit ist sie die bisher erfolgreichste Produktion für den Pay-TV-Sender Sky.3 Stefano Sollima ist der Artistic Director, also derjenige, der maßgeblich die Ästhetik der Serie bestimmt.

Die Serie basiert auf dem 2006 bei Mondadori publizierten und mit Preisen überschütteten Reportage-Roman Gomorra: Viaggio nell’impero economico e nel sogno di dominio della camorra von Roberto Saviano, der ebenfalls ein Bestseller ist und weltweit gelesen wird. Außerdem wurde 2008 der gleichnamige Film unter der Regie von Matteo Garrone realisiert, ebenso hochgelobt und preisgekrönt. Zum Universum von Gomorra gehört noch ein Theaterstück von 2007 von Mario Gelardi, das hier allerdings vernachlässigt wird. In all diesen Produktionen wird Roberto Saviano als Creator angegeben. Saviano als der Mafiaexperte übernimmt die Funktion des Auteurs, der mit seinem Namen für Qualität bürgt und die Produktionen unterscheidbar von anderen Produktionen macht, die sich auch mit dem organisierten Verbrechen auseinandersetzen. Er fungiert damit als Autor-Brand.4 Während Saviano als übergeordnete Instanz fungiert, die das Universum von Gomorra mit seinem Namen zusammenhält, werden im Hinblick auf die Serie der Artistic Director Sollima für die Ästhetik und Autor Stefano Bises für das Drehbuch als Verantwortliche angesehen.

Im Folgenden sollen die Charakteristika der Serie Gomorra herausgearbeitet werden. Die Serie ist Teil der Storyworld von Gomorra und damit ein transmediales Phänomen. Die drei Texte stehen in vielfältigen Beziehungen zueinander. Hierbei werden vor allem das Setting, die Kultur des Wegsehens, der Einsatz von lokalisierter Sprache und die Ästhetik eines Noir-Stils diskutiert. Außerdem erzählt die Serie, wie sich die Camorra seit Buch und Film weiter entwickelt hat. Auffällig sind diesem Zusammenhang die Auto- und Motorradfahrten, welche die Serie charakterisieren und Bezüge zum Buch, aber auch zu kinematographischen Verfahrensweisen und anderen Medien aufweisen.

Die Serie reiht sich ein in die Tradition der Sky-Serien. Gomorra – La serie ist die dritte Eigenproduktion des italienischen Pay-TV-Senders Sky, der sich mit der Serie als Sender innerhalb der italienischen Fernsehlandschaft positioniert und von den öffentlich-rechtlich organisierten Sendern der RAI wie auch den italienischen Privatsendern absetzt.

Die Serie weist eine außergewöhnliche Figurenzeichnung auf. Neben den Rhythmen der Bildschirmpräsenz und der Figurenentwicklung, ist vor allem die Figur Genny interessant, weil sie eine Charaktertransformation vollzieht, die für Fernsehserien ungewöhnlich ist. Fernsehserien versuchen im Allgemeinen, interessante Figuren zu schaffen, mit denen die Zuschauer eine parasoziale Beziehung eingehen können. Auch in Bezug auf diesen Aspekt unterscheidet sich Gomorra – La serie, denn hier werden Strategien eingesetzt, die gezielt die Empathie der Zuschauer mit den Figuren unterlaufen. Weil die Serie auf der anderen Seite einen Anreiz zum Weiterschauen liefern muss, offeriert sie auf sehr verschiedenen Ebenen Anknüpfungspunkte für Engagement und lädt damit zu einem komplexen Spiel der Anziehung und Abstoßung ein.

1. Cover der italienischen DVD

1. Cover der italienischen DVD

Das Cover der DVD positioniert Ciro (Marco D’Amore) in der Bildmitte, als einen Eckpunkt im Beziehungsgeflecht der Figuren in der Serie. Ihn und seinen väterlichen Kumpel Attilio (Antonio Milo) lernen die Zuschauer auch gleich in der ersten Szene der Serie kennen. Die beiden sind auf dem Weg, um Salvatore Conte (Marco Palvetti), dem Boss eines rivalisierenden Clans, einen Denkzettel zu verpassen – der Rivale ist auf dem Cover ganz hinten links zu sehen. Ciro gehört dem Clan der Savastanos an, der in Secondigliano unangefochten herrscht und von Don Pietro (Fortunato Cerlino) geleitet wird – Don Pietro steht zwischen Conte und Ciro. Auf der rechten Seite sind Don Pietros Sohn Gennaro Savastano (Genny) (Salvatore Esposito) und dahinter seine Frau Donna Imma(colata) (Maria Pia Calzone) zu sehen. Die Körperlichkeit von Marco d’Amore und vor allem sein glattrasierter Schädel erinnern an Roberto Saviano5, den Autor des Reportage-Romans und Creator der Serie. Daher scheint es folgerichtig, dass Ciro die Zuschauer in den Mikrokosmos Camorra einführt. Nicht zuletzt durch sein pragmatisches und fast schon besonnenes Auftreten (auch bei Gewalttaten) können die Zuschauer ihm erst einmal ihre Empathie entgegenbringen, denn durch das Ensemble der unmoralischen Figuren um ihn herum erscheint er im Vergleich zu ihnen als eine akzeptable Figur.6

Bildschirmpräsenz

Bei Ciro laufen zwar immer wieder sämtliche Handlungsstränge zusammen, jedoch ist er nicht in jeder Folge gleichermaßen präsent. Noch deutlicher wird das bei den anderen bereits genannten Figuren. So unternimmt zum Beispiel Gennaro Savastano, kurz Genny genannt, über zwei Folgen hinweg eine Reise nach Honduras ohne Zuschauer, obwohl diese Reise einen wichtigen Wendepunkt für die Figur darstellt. Die Figuren führen ihr Leben im Offscreen weiter, unbeobachtet von den Rezipienten. Diese Art der Figurenzeichnung ist aus Serien wie The Wire bekannt. Hier wie da handelt es sich um eine Strategie, die den fiktiven Figuren eine Wahrhaftigkeit und Lebendigkeit zuschreibt, die der Erzählung insgesamt eine Form der Hyperrealität verleihen. Um diesen Eindruck zu unterstützen, werden noch weitere Strategien eingesetzt, die später besprochen werden. Ein anderer Rhythmus im Präsenzverlauf zeigt sich an Don Pietro. Zu Beginn der Staffel ist er der Handlungstreibende und auch noch nach seiner Verhaftung hält er alle Fäden in der Hand und leitet seinen Clan über Boten und mit Hilfe eines eingeschmuggelten Handys aus dem Gefängnis heraus. Der Fund dieses Mobiltelefons führt zur Verlegung in ein Hochsicherheitsgefängnis und zum Verlust seiner Machtposition, da er von dort nur noch über seine Frau und seinen Sohn kommunizieren kann. Ab Folge 4 ist er dann nur noch bei deren Stippvisiten für wenige Minuten zu sehen. Die kurzen Szenen haben die Funktion, die abweichenden Vorstellungen von der Leitung des Clans aufzuzeigen. Über die Staffel hinweg verfolgen die Zuschauer Don Pietros zunehmenden Verfall, der an seinen Machtverlust gekoppelt ist, am Ende in Folge 12 erscheint er als gebrochener und geistig umnachteter Mann.

Figurenentwicklung

Diese Art der Figurenentwicklung ist charakteristisch für Gomorra – La serie. Auch seine Frau Imma wandelt sich von der Frau des Bosses, deren Hauptbeschäftigung die Beschaffung weiterer geschmackloser Einrichtungsgegenstände für die Villa zu sein scheint (siehe dazu auch den Screenshot im Abschnitt der Schauwerte), zur Clanchefin, die sich den Anordnungen ihres Mannes widersetzt und ohne sein Wissen die Geschäfte leitet. Der italienische Titel der Folge (5) des Umschwungs heißt bezeichnenderweise Il ruggito della leonessa – das Gebrüll der Löwin.7

Aber auch wenn es so scheint, dass sich die Figuren im Verlauf der Serie prinzipiell ändern, handelt es sich hierbei um relative Charakterentwicklungen, wie sie häufig in Fernsehserien praktiziert werden. Jason Mittell schreibt in Complex TV, dass in den meisten Fernsehserien die Figuren charakterlich stabil bleiben: „While it may seem like part of the pleasure of serial narrative is watching characters grow and develop over time, most serial characters are more stable and consistent rather than changeable entities.“8 Es handle sich eher um charakterliche Akkumulation und Vertiefung, als um eine fundamentale Änderung der Charaktere, da eine zu große Veränderung die parasoziale Nähe der Zuschauer gefährden könne. Oder der Charakterwandel sei temporärer Natur, der durch einen externen Faktor ausgelöst werde und sich im weiteren Verlauf meist schon innerhalb der Folge wieder relativiere.9 In diese Form der relativen Figurenentwicklung sind sowohl Don Pietro als auch Donna Imma einzuordnen. Donna Imma verliert nur drei Folgen später, nachdem sie erfolgreich einen neuen Drogenumschlagsplatz eingerichtete hat, ihre Macht wieder und zwar an ihren Sohn Genny. Ab diesem Zeitpunkt fungiert sie als seine Beraterin. Don Pietros relativer ‚Nicht-Wandel‘ ist dagegen spektakulärer inszeniert. Nachdem er immer apathischer wird und sich nur mit Hilfe seiner Wärter überhaupt erheben kann, führt seine völlige Teilnahmslosigkeit bei der Nachricht vom Tod seiner Frau in Folge 11 zu einer weiteren Verlegung in ein anderes Gefängnis. Auf dem Weg dorthin wird der Transporter überfallen und Don Pietro befreit, der daraufhin völlig wach und überraschend gesund aus dem Fahrzeug springt. Die Figur hat keine fundamentale Charakterentwicklung durchgemacht. Sie hat eine falsche Fährte ausgelegt, indem sie ihren wahren Zustand nicht kommuniziert hat.10 Es bleibt bis zum Ende der letzten Folge unersichtlich, wer von der Verstellung wusste und wer die Befreiung des alten Clanchefs geplant und ausgeführt hat. Die gelungene Flucht stellt einen ersten, besonders starken Staffel-Cliffhanger dar, weil er nicht nur Überraschung auslöst, sondern auch noch Spannung für den weiteren Handlungsverlauf erzeugt und Neugier erweckt.11

Von diesen relativen, weil reversiblen Charakterentwicklungen muss allerdings die Figur Genny abgesetzt werden, die eine Charaktertransformation durchläuft.

2. ‚Kronprinz‘ Genny

2. ‚Kronprinz‘ Genny

Charaktertransformation

Gomorra – La serie bietet mit der Figur des Genny eine Ausnahme von der Regel der relativen Charakterentwicklung. Mit ihrer für die Zuschauer überraschenden Charaktertransformation weist sie ein ähnliches Entwicklungspotenzial wie Walther White aus Breaking Bad auf, den Mittell hinsichtlich der Figurenzeichnung in Fernsehserien als Ausnahmeerscheinung anführt.

Bevor Genny auf Geheiß seiner Mutter eine Reise nach Honduras unternimmt – sie scheint ihn eher aus dem Weg räumen zu wollen – ist er ein oberflächliches und unreifes Muttersöhnchen, das eine Dummheit nach der anderen begeht. So hofiert er in einer Disco im Feindesland die Freundin eines jungen Clanbosses der Casavatore. Der Screenshot oben zeigt ihn in dem Augenblick, als er sie in Folge 2 das erste Mal sieht. Nach gegenseitigen Sachbeschädigungen und Beleidigungen der ‚Kronprinzen‘ sieht sich Don Pietro gezwungen, den gegnerischen Clanboss ermorden zu lassen, um Gennys und folglich auch sein Gesicht zu wahren, obwohl der Anlass nichtig ist und der Mord dem Geschäft schadet. Genny wird als dicklicher, dummer Junge inszeniert, der mit den anderen ‚Gangster spielen‘ will, Rap hört und Sprüche klopft, aber letztlich nicht das Zeug dazu hat, einen Clan zu führen. Weil er den reibungslosen Ablauf der Geschäfte durch seine Eskapaden gestört hat, soll er auf Don Pietros Anordnung hin beweisen, dass er ein ‚Mann‘ ist und zwar durch einen Mord. Mit dieser Initiationsszene greift die Serie einen weit verbreiteten Mafiamythos auf12 und entlarvt ihn als hohle Geste. Dies hat auch schon der Film bei der Rekrutierung neuer ‚Mitglieder‘ in umgekehrter Form gezeigt: Die entsprechenden Kinder werden mit einer kugelsicheren Weste ausgestattet und dann umgeschossen, einer nach dem anderen. Hattest Du Angst, fragt der Schießende, nein, antworten die umgefallenen Jungen mechanisch. Mit der abgeschmackten Tat ist der Initiationsritus vollzogen. Die Leere und Sinnlosigkeit der Aktion wird durch die Wiederholung noch potenziert. Auch Genny soll nicht denjenigen umbringen, der ihn und seinen Clan beleidigt hat oder eine andere Person, die den Clan in irgendeiner Weise bedroht, sondern er soll einfach ‚morden‘. Als Zeuge des ‚Ritus‘ wird Ciro ausersehen. Dieser stöbert irgendeinen armen Junkie auf, lockt ihn mit Drogen an und gibt ihn anschließend für Genny zum Abschuss frei. Die Szene spielt sich in einer Sackgasse ab, der Mann kann nicht entkommen. Genny feuert einen Schuss ab, aber er verwundet ihn nur, den tödlichen Schuss muss letztlich Ciro abfeuern. Eine leere Geste, die auch noch auf einer Lüge basiert, denn sie verabreden, dass sie verschweigen werden, wer letztlich den Mann umgebracht hat. Damit steht Genny in Abhängigkeit zu Ciro.

Nach der Verhaftung von Don Pietro leitet zunächst eigentlich Ciro den Clan, denn er redet auf den unsicheren Genny ein und sagt ihm, was zu tun ist. Schließlich reißt Mutter Imma die Geschäfte an sich, degradiert Ciro zum Handlanger und schickt Genny nach Honduras. Als er in Folge 8 wieder zurückkommt, ist er ein anderer Mann, denn während der Reise musste er andere Menschen ermorden. Die ‚vollzogene‘ Initiation zieht nicht nur Gennys charakterliche Transformation nach sich, sondern sie schreibt sich auch in seinen Körper ein. Aus dem dicken verweichlichten Kronprinzen ist ein hochfahrender und gewaltbereiter Mann in einem testosteron-geschwängerten Körper geworden, wie der Screenshot unten zeigt. Er macht Ciro, der auf ihn gewartet hat und immer wieder betont, dass sie Brüder seien, unmissverständlich klar, dass für ihn kein Platz an der Spitze des Clans ist. Ab diesem Zeitpunkt werden Ciro und Genny zu Gegenspielern.

3. Clanchef Genny

3. Clanchef Genny

Strategien der verhinderten Empathie

Gennys Charaktertransformation steht exemplarisch für den Umgang von Gomorra – La serie mit dem, was man im Allgemeinen als Identifikation und Empathie der Zuschauer mit den Figuren beschreibt, das komplexe Geflecht der Rezeption, das Mittell mit Rückgriff auf Murray Smith noch einmal unterteilt in „to recognize, align with, and forge allegiances with characters.“13 Während Fernsehserien normalerweise Charaktertransformationen vermeiden, um die parasoziale Nähe der Zuschauer zu den Figuren nicht zu gefährden, riskieren die Produzenten von Gomorra – La serie nicht nur den Bruch, sondern sie wollen ihn sogar herbeiführen. So schreibt etwa Saviano: „La sfida era raccontare il male dal suo interno, mantenendo credibilità, alleggerendo la narrazione senza suscitare mai empatia.“14

Die Figur Ciro macht zwar keine größere Charakterentwicklung durch, aber auch dieser am Anfang der Serie als relativ akzeptabel eingeführter Protagonist bietet in Folge 9 eine Sollbruchstelle für die Identifikation der Zuschauer. Er foltert in einer alten leeren Fabrikhalle ein junges Mädchen, weil er den Aufenthaltsort ihres Freundes herausbekommen will. Die Szene dauert ca. eineinhalb Minuten und beginnt in einer dunklen Fabrikhalle, die Rezipienten hören nur das herzzerreißende Weinen des Mädchens. Die Audiospur verdeutlicht, dass er mit der Folterung schon vorher begonnen hat. Die letzte Einstellung zeigt, wie er ihr mit einer Eisenstange die Knie zertrümmert, damit ist auch klar, dass er sie weiter foltern wird. Die Schreie des Mädchens bilden einen grauenvollen Kontrast zu der farblichen Ästhetik der Szene mit den Fenstern mit Metallsprossen, die durch die indirekte Beleuchtung von außen Kirchenfenstern ähneln und dem Spot auf das gefesselte Mädchen, der im Dunkel der Fabrikhalle grünlich schimmert.

4. Folterszene in einer verlassenen Fabrik

4. Folterszene in einer verlassenen Fabrik

Damit steht Ciro in der Tradition der Figuren, die eine moralische Schwelle überschreiten, wie zum Beispiel Frank Underwood aus House of Cards, der zu Beginn der zweiten Staffel seine Gegenspielerin Zoe vor eine U-Bahn stößt, oder auch Tony Soprano, der am Ende von Staffel 6 seinen Neffen Christopher umbringt, indem er ihm die Nase zuhält, so dass er an seinem eigenen Blut erstickt. Allen diesen von vorneherein als ‚böse‘ deklarierten Figuren ist gemein, dass ihre Motive zuerst nachvollziehbar waren und der Spruch ‚der Zweck heiligt die Mittel‘ vieles tolerabel erschienen ließ. Auch ihr Charisma half, die Moral bzw. Unmoral der Figuren zu relativieren.15 Die Schwelle aber lässt die Zuschauer stolpern und innehalten, um die Figuren neu zu bewerten. Die oben beschriebene Szene fordert einen parasocial break-up geradezu heraus und dient ebenfalls dem erklärten Ziel der Produzenten, Figuren und Zuschauer auf Abstand zueinander zu halten.

Gomorra – La serie wird aufgrund der detaillierten Untersuchung „einer gesellschaftlichen Brachlandschaft“16 auch im Hinblick auf die Figurenzeichnung häufig mit The Wire verglichen, aber die Serie verengt den Blick noch einmal:

War The Wire* noch bahnbrechend durch seinen Blick sowohl auf die Polizei- als auch auf die Gangsterseite, der eine umfassende Perspektive auf die Malaise der amerikanischen Großstädte lieferte, so ist der nächste Schritt von Gomorrha ähnlich radikal. Die Serie schafft nicht nur den Outlaw-Helden ab, sondern gleich den Helden als solchen. Im Neapel von Gomorrha gibt es keine auf charmante Art gebrochenen Publikumslieblinge wie den Hood-Robin-Hood Omar Little oder den netten Junkie Bubbles.17

Denn der Staat, die Justiz, die Polizei, die Presse tauchen in Gomorra – La serie nur auf, wenn sie in den Mikrokosmos Camorra eindringen – und das ist selten. Außerdem bleiben sie eher abstrakte Konstrukte, sie erhalten kein Gesicht. Wenn die Carabinieri eine Razzia am neu eingerichteten Drogenumschlagplatz abhalten, dann sieht man nur die Polizeiautos mit Blaulicht vorfahren. In allen weiteren darauffolgenden Szenen folgt die Kamera den Kriminellen und beobachtet, wie sie die Spuren verwischen und in ihre Verstecke verschwinden.18

Dass es kein Gegengewicht zu den Delinquenten gibt, unterscheidet die Serie (und den Film) vom Buch. Der junge Journalist, die Figur des Erzählers im Reportage-Roman, bietet den Rezipienten einen roten Faden der moralischen Haltung an, an dem man sich festhalten und durch den grauenvollen Sumpf der Camorra waten kann. Außerdem kommen auch immer wieder Polizisten und Gerichtsmediziner (bzw. deren Akten) zu Wort, die das Geschehen um eine offizielle Perspektive ergänzen und erweitern.

Aber es fehlt nicht nur ein Gegenpol zu den Camorristi, sondern es gibt in der Welt von Gomorra so gut wie keine Nebenfigur, bei der die Zuschauer eine kurze moralische Verschnaufpause einlegen könnten, wie etwa der oben zitierte Bubbles. In Gomorra – La serie ist niemand unschuldig oder in irgendeiner Weise ‚gut‘.19 Sogar die Kinder wissen, wie sie sich zu verhalten haben, wenn die falschen Leute klingeln und den Papa umbringen wollen.

Auch ist keine Figur mit deutlichen Fiktionsmarkern ausgestattet und könnte daher eine Form von fictional relief im Sozialdrama anbieten. Solch eine Figur ist zum Beispiel der oben im Zitat erwähnte Omar Little, wie Margrethe Bruun Vaage gezeigt hat. Durch seine Ausstattung mit den Eigenschaften eines Superhelden offenbart sich die narrative Konstruktion der Figur und offeriert damit in der sehr realistisch gezeichneten und häufig sehr bedrückenden Welt von The Wire eine fiktionale Entlastung für die Zuschauer.20 Zu Beginn von Gomorra – La serie sieht es so aus als könnte Ciro so eine Figur sein, denn er überlebt gleich in der ersten Folge ‚wie durch ein Wunder‘ einen Bombenanschlag auf eine Bar, was ihm den Spitznamen l’immortale (zu dt. der Unsterbliche) einbringt. Die beiden Screenshots im Abschnitt Action zeigen die Szene aus der Innen- und aus der Außenperspektive. Im weiteren Verlauf der Staffel setzen seine Befehlshaber (sowohl Don Pietro als auch Imma) ihn immer wieder in lebensbedrohlichen Aktionen ein, um ihre Pläne durchzusetzen. Dabei steht aber nicht seine angebliche Unsterblichkeit (und damit das narrative Konstrukt) im Vordergrund, sondern vielmehr ihre Unmoral und Skrupellosigkeit, denn sie nehmen seinen Tod in Kauf. Die Figur wurde zwar potenziell als fictional relief angelegt, aber sie wird nicht so inszeniert. Die Form der fiktionalen Entlastung wird den Zuschauern von Gomorra – La serie verweigert. Oder wie es Saviano zusammenfasst: „Nessun balsamo consolatorio.“21

Das unterscheidet die Serie vom Film: Roberto, der junge, eifrige Assistent des skrupellosen Müllverschiebers Franco, erkennt am Ende des Films die Folgen seines Handelns. Auf Geheiß von Franco steigt Roberto mitten auf der Landstraße aus dem Auto aus. Er soll die womöglich verseuchten Pfirsiche wegwerfen, die ihm eine alte verwirrte Bäuerin geschenkt hat. Während er zu den vorherigen Aktionen geschwiegen hat, zum Beispiel als Erwachsene und sogar Kinder der Gefahr der Verätzung durch Säure ausgesetzt wurden, um illegalen Müll zu verscharren, sind es die am Straßenrand liegenden Früchte, welche die Wandlung hervorrufen. „Non me la sento“22 sagt er schlicht und meint damit seine Arbeit, dann geht er weg. „Va a feje pizz‘“, ruft Franco ihm hinterher, „ti dato un occasione“.23 Dieser ruhige undramatische Ausstieg ist in seiner Inszenierung gänzlich an die quasi-dokumentarische Erzählweise des Films angepasst. Warum Roberto trotzdem eine fiktionale Entlastung für die Zuschauer darstellt, wird deutlich, wenn man sich alle anderen Figuren anschaut, die nicht die für sie vorgesehenen Rollen spielen wollen oder können, und deswegen einfach umgebracht werden: wie zum Beispiel Maria, deren Vergehen darin besteht, dass sich ihr Sohn einem anderen Clan angeschlossen hat, oder Marco und Ciro, die sich nicht in die bestehenden hierarchischen Strukturen der Kriminellen einordnen wollen. Oder Figuren, die zwar überleben, aber immense Schuld auf sich laden, wie zum Beispiel der 13-jährige Totò, der seine Loyalität zum Clan beweisen muss, indem er Maria in einen Hinterhalt lockt. Alle anderen Figuren zeigen, dass es kein Entkommen aus dem bestehenden sozialen Machtgefüge gibt, daher ist der Ausstieg Robertos völlig ‚unrealistisch‘ nach den Regeln in der Storyworld von Gomorra.

Alle Figuren in der Serie sprechen, wie schon im Film, neapolitanischen Dialekt, und machen damit den Schauplatz und ihren sozio-kulturellen Background hörbar. Weil aber außerhalb vom Großraum Neapel niemand den Dialekt versteht, wurde selbst die italienische Version mit Untertiteln im Standard-Italienisch versehen. Damit verfolgt die Serie eine Doppelstrategie. Einerseits erlangen die Figuren durch die hörbare Lokalität einen höheren Authentizitätsgrad, aber andererseits wird durch die Unverständlichkeit der Eindruck von Fremdheit erweckt. Durch die Untertitel wird das Fremde nicht eliminiert, wie es bei Synchronisation der Fall gewesen wäre, sondern es manifestiert sich24, es wird hör- und sichtbar. Die Zuschauer können die Figuren als Fremde wahrnehmen und durch den Akt des Lesens eine gewisse Distanz zu den Figuren wahren.

Wie die Figuren im Film sind auch die in der Serie alle gewalttätig und die Ausübung von Gewalt ist allgegenwärtig. Gleichzeitig sind die Figuren aber keine Monster, die man einfach mit dem Etikett ‚Böse‘ versehen in eine Schublade stecken könnte. Denn die Zuschauer begleiten die Figuren auch in der Zeit zwischen den Gewaltausbrüchen, wenn sie nicht morden, sondern kochen, zu Abend essen, mit den Kindern spielen, Musik hören, usw. In diesen kurzen Szenen haben die Figur und die Zuschauer etwas gemeinsam. Durch die Alltäglichkeiten wirken die Figuren authentischer, weil sie eben keine unmenschlichen Killermaschinen sind, sondern... – und dieser Frage müssen sich die Zuschauer stellen, was sind das für Menschen? Die Serie setzt also sowohl die alltägliche und beiläufige Gewalt als auch die Inszenierung des Alltags als Authentizitätsstrategie ein, und zwingt damit die Zuschauer, sich mit den Figuren auseinanderzusetzen.

Ebenfalls authentisch inszeniert ist, dass Gewalt Menschen verletzt und umbringt. Die Zuschauer können sich nicht sicher sein, dass eine Figur lange überleben wird, ein Phänomen, das die Serie Game of Thrones zum Stilmittel erkoren hat. So wird zum Beispiel der 15-jährige Automechaniker Daniele (Vincenzo Esposito) in Folge 8 zunächst als Bote von Ciro eingeführt. Um die Karriereleiter weiter empor zu klettern, ermordet er in der nächsten Folge im Auftrag von Ciro ein wichtiges Mitglied des Conte-Clans, ohne dies zu wissen. Folge 9 wird stark auf Daniele bezogen erzählt. Neben seiner kaltblütigen Tat wird Danielino (Verkleinerungsform von Daniele) als verliebter Teenager dargestellt, der seiner Freundin vom erstverdienten Geld einen Ring kauft, eben jenes Mädchen, das Ciro später foltern wird, um das Versteck Danieles zu erfahren. Auch in Imma contro tutti fokussiert sich die Serie, wie der Titel von Folge 6 verspricht, auf die Clanchefin. Diese folgenbezogene Figuren-zentrierte Erzählweise nimmt die Serie immer wieder auf und verstärkt damit die Bindung der Zuschauer an einzelne Figuren, ihr alignment.25 Allerdings wird diese Bindung dann häufig schon wieder in der nächsten Folge unterbrochen, denn die Figuren treten wieder in den Hintergrund oder sterben. Zum Beispiel will Ciro, um alle Spuren zu verwischen, auch Daniele umbringen, was ihm dann auch in Folge 10 gelingt. Die Zuschauer können sich nicht sicher sein, wie lange eine Figur lebt, daher tritt ein Effekt ein, den man an Zuschauern beobachten kann, die jetzt mit der Rezeption der Serie Game of Thrones beginnen: Durch die Berichterstattung sind diese Rezipienten vorgewarnt, dass Figuren sterben, und sie können daher das Spiel um den Eisernen Thron auch auf einer kognitiven Ebene aus einer gewissen Distanz heraus verfolgen und die Figuren gemäß ihrer Funktion als entpersonalisierte Schachfiguren wahrnehmen. Nicht nur, dass wichtige Figuren sterben, sondern auch das massenhafte Figurensterben übernimmt Gomorra – La serie von Game of Thrones. Folge 11 macht dieses Programm schon in ihrem Titel 100 modi per uccidere – 100 Tötungsarten – deutlich.

Tutti cattivi – allora perché?

Es stellt sich nun die Frage, warum Zuschauer die Serie verfolgen, wenn sich doch keine einzige Figur in irgendeiner Art und Weise (weder moralisch, noch als deutliches Konstrukt ausgewiesen) zur Identifikation anbietet. Hier ist als erstes das Universum Gomorra zu nennen, welches als transmedialer Text eine konsistente Welt bietet, die sich mit der realen Welt überlappt – aber davon später mehr in einem eignen Kapitel. Zweitens bietet Gomorra – La serie durch die verschiedenen Gegenspieler und deren Interessen eine Probeanordnung, die dazu einlädt, deren Gedanken zu lesen und sich auf kognitiver Ebene mit der Serie auseinanderzusetzen. Mittell hat dies als ein Attraktionsmoment von komplex erzählten Serien beschrieben:

[O]ne of the pleasures of watching complex television is engaging with a sense of ludic play and puzzle-solving analysis, and attempting to read the minds of nuanced, multifaceted characters is fertile ground for such playful viewing practice.26

Damit bietet die Serie, welche die Auseinandersetzung auf emotionaler Ebene zumindest erschwert, eine Beschäftigung mit Figuren und Handlung auf einer intellektuellen und damit auch distanzierteren Ebene an. Man kann Gomorra – La serie nach Blakey Vemeule als einen machiavellistischen Text mit insgesamt drei Masterminds beschreiben, die mit ihrer analytischen Reflexion andere Figuren dominieren. „Highly Machiavellian texts […] put extra stress on our mind-reading capacities […].“27

Besonders deutlich wird dies durch die beiden Staffel-Cliffhanger: Die gelungene Flucht von Don Pietro wurde bereits dargestellt, der zweite stellt ein finales Duell von Ciro und Genny dar: Genny hat auf den Kopf von Ciro 150.000 Euro ausgesetzt. Daraufhin bekommt er den Tipp, dass Ciros kleine Tochter Maria Rita bei einer Aufführung mitsingt. Er ‚leiht‘ sich einen kleinen Jungen aus der Nachbarschaft aus, um sich Zugang zur Aufführung zu verschaffen. Der Showdown findet im Aufführungsraum statt. Genny steht vor der Bühne und Ciro hinten im Zuschauerraum, als sie das Feuer eröffnen. Ciro schießt also auf die Kinder. Es herrscht ein unbeschreibliches Chaos aus schreienden Eltern und Kindern, die zur Tür stürzen. Ciro trifft Genny, der darauf hin zu Boden sinkt und reglos auf dem roten Boden liegt. Da schon die Polizeisirenen zu hören sind, will Ciro mit seiner Frau Deborah und seiner kleinen Tochter fliehen. Deborah widersetzt sich aber und läuft mit Maria Rita weg, während Ciro, gehetzt durch die nahenden Polizeisirenen, in das Auto seines treuen Helfers Rosario steigt. Das letzte Bild der Folge zeigt den auf dem Boden hingestreckten Genny und eine Kontraktion seiner Hand, er ist also nicht tot.

Durch die Staffel-Cliffhanger ergeben sich Fragen, die vor allem die Protagonisten betreffen: Ist Genny stark verletzt? Vielleicht auch: Wird er sterben und damit die Anzahl der Gegenspieler reduzieren? Wenn nicht, wie wird der Kampf zwischen Ciro und Genny weitergehen? Wird sich Deborah wirklich von Ciro trennen? Wird Don Pietro sich gegen seinen eigenen Sohn stellen, weil dieser einen großen Teil der alten Garde umgebracht und damit seine Autorität in Frage gestellt hat? Wird sich Ciro als neuer Clan-Chef positionieren und einen neuen Eckpunkt im Machtgefüge bilden (was das DVD-Cover impliziert) oder wird er sich auf eine Seite stellen? Die Serie hat mit den Cliffhangern verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Handlung weitergehen könnte und lädt zu Spekulationen ein. Exemplarisch zeigt dies eine Seite mit dem Namen Gossip e TV: hier wurde zu einer Abstimmung aufgerufen, welcher der drei Protagonisten ‚siegen‘ sollte –diese Wortwahl zeigt schon die Distanz zu den Figuren, denn wenn einer siegt, ist mindestens ein anderer tot.28

Ein weiterer Aspekt, die Figuren betreffend, ist der Vater-Sohn-Konflikt bzw. der Generationenkonflikt, der auch im Cliffhanger wieder neues Potential erhält. Bereits in der ersten Szene der ersten Folge beschwert sich Attilio, seine Tochter habe ein Foto von ihm und der Mama publiziert, auf „book“. „Ma quale book! Facebook!“ antwortet Ciro und erklärt seinem väterlichen Kumpel das soziale Netzwerk. In einer ähnlichen Szene streiten sie über Musik. Dies sind Beispiele dafür, wie die Kulturen der beiden Generationen inszeniert werden, nämlich als absolute Gegensätze, die einander nicht mehr verstehen. Nach Valerio Valentini liefern die Szenen einen Interpretationsschlüssel für die gesamte Serie: die Jugendlichen um Genny scheren sich nicht mehr um die etablierte Kultur der Camorra: sie nehmen Kokain, fuchteln mit Waffen herum, zeigen den Alten gegenüber keinen Respekt und handeln ohne jede Logik, unüberlegt und mit unkontrollierbarer Gewalt.29 Dieser Generationenkonflikt ist wahrscheinlich vielen Zuschauern zumindest in Ansätzen bekannt und etwas, womit sie sich jenseits des Milieus auseinandersetzen können.

Hohe Schauwerte

5. Explosion 1 in der Bar

5. Explosion 1 in der Bar

6. Explosion 2 vor der Bar

6. Explosion 2 vor der Bar

Die hohen Schauwerte bieten einen weiteren Anreiz, die Serie zu verfolgen. Der Rezensent der ersten Folge auf Serienjunkies.de schreibt noch bevor er auf die Erzählung eingeht, dass bereits nach 15 Minuten „zwei explosive Action-set pieces30 zu sehen waren, ganz am Ende seines Artikels erwähnt er die mittlerweile drei Actionszenen noch einmal wohlwollend. Einerseits ist Gewalt in Gomorra – La serie, wie oben beschrieben, etwas Alltägliches. Auseinandersetzungen, Machtfragen, Durchsetzungsvermögen werden mit Hilfe von Gewalt angesprochen, erhoben, gezeigt, gelöst. Diese Art der Gewalt wird beiläufig ausgeübt, schnell, unprätentiös. Die Figuren denken nicht über die Folgen nach, sie tun es einfach, wie Danielino, der verliebte Automechaniker, der auf Geheiß von Ciro die Werkstatt verlässt, mit seinem Motorino zu dem genannten Ort fährt, den Menschen erschießt und dann wieder zurück zur Arbeit geht. Andererseits wird Gewalt aber auch in ganz aufwendig produzierten Actionszenen als Spektakel eingesetzt. Beide Screenshots oben aus Folge 1 zeigen den Anschlag auf die Bar, in der auch Ciro sich befindet und die ihm den Spitznamen L’immortale einbringt. Dieser Anschlag dauert insgesamt ungefähr drei Minuten, wobei im ersten Drittel die Räumlichkeiten der Bar etabliert werden, das zweite Drittel zeigt im stakkatoartigen Rhythmus erst eine Maschinengewehrsalve und zwei spektakuläre Explosionen, innen und außen. Im letzten Drittel der Szene ist Ciro zu sehen, der voller Staub und benommen aufsteht und nach draußen wankt. Die Tonspur imitiert das geschädigte Gehör eines Beteiligten, das so genannte Vertäubungsgefühl, und zwar im gleichen Zeitumfang, wie auch zuvor der Lärm des Anschlags zu hören war. Die Geräusche sind zuerst dumpf und weit entfernt, gleichzeitig tritt ein hochfrequentes Geräusch auf. Der hohe Ton entfernt sich wieder und eine seltsam ‚hallige Stille‘ tritt ein. Ganz langsam dringen die Schreie der anderen Menschen durch, aber nur vereinzelt und wie unter Wasser. Der Ton normalisiert erst wieder, wenn Ciro hinkend die Szenerie verlässt. Dadurch wird die Explosion für die Zuschauer auf zwei Ebenen erfahrbar: zuerst objektiv und observierend, aus der vertrauten Position von Rezipienten von Actionszenen, sowie darauffolgend subjektiv und teilnehmend, die Zuschauer nehmen die hörbaren Folgen des Anschlags wahr.

Die Actionszenen gliedern die Narration, indem sie Höhepunkte innerhalb der Erzählung schaffen, nicht nur innerhalb der beschriebenen Szene, sondern auch über die gesamte Staffel hinweg. Die Szene zeigt aber auch, dass die spektakulär eingesetzte Gewalt nicht nur Unterhaltungsfunktionen übernimmt und die Schaulust befriedigt, sondern dass mit ihrer Hilfe auch ihre Ausmaße und Konsequenzen reflektiert werden.

Neben den Actionszenen trägt auch die detailfreudige Ausstattung zum hohen Schauwert der Serie bei. Viel Wert wird dabei auf die Inneneinrichtungen der unterschiedlichen Wohnungen gelegt. Alle Wohnungen in der Serie haben einen gewissen Kitschfaktor. Das Geld bestimmt nicht über den Geschmack, sondern lediglich über das Material. Das Empfangszimmer der Savastanos beispielsweise besteht aus einem Sammelsurium verschiedener Stile. Das gesamte Zimmer mit der Kassettendecke und den schweren Vorhängen, den goldgerahmten Spiegeln, dem Kronleuchter und den antikisierten Möbeln erinnert an einen entsprechenden Repräsentationsraum in einem herrschaftlichen Schloss, allerdings mit einigen Unterschieden: erstens ist der Raum zu klein bzw. er ist zu vollgestopft und überfrachtet und zweitens ist die Einrichtung nicht stilsicher, sondern von „geschmackloser Opulenz.“31 Der Schreibtisch, der eine Seite des Raums beherrscht, steht eher für das gehobene Bürgertum. Und auch die neueste Technik wird in diesem Mix eingereiht und erhält einen Goldrahmen. Die Einrichtung entspricht dem Klischee einer ‚neureichen‘ Ästhetik.

7. Interieur Casa Savastano (Folge 7)

7. Interieur Casa Savastano (Folge 7)

Die Obsession mit der Einrichtung wird gleich in der ersten Folge bloßgestellt. Donna Imma schenkt Ciro ein Sofa, weil es ihr nicht gefällt. Während beim Abendessen im Fernsehen die grausamen Bilder des oben beschriebenen Anschlags auf die Bar gezeigt werden, denkt sie darüber nach, wo sie ein neues kaufen sollte. Das neue, kitschige Pseudo-Barock-Sofa, das dann angeliefert wird, ist angeblich zu hart. Das Paar sitzt auf dem weder schönen noch bequemen Sofa und beratschlagt ausführlich, was zu tun ist. Das Sofa muss weg, bestimmt Don Pietro.

8. Streit um das Sofa

8. Streit um das Sofa

9. Das Ende des Sofas

9. Das Ende des Sofas

Die nun folgenden Szenen werden über die Musik verbunden: Don Pietro sieht aus dem Fenster zu, wie das barocke Ungetüm aus dem Haus getragen wird. Wütend denkt er dabei über Abhörwanzen nach, denn vertrauliche Informationen sind nach außen gelangt und er befürchtete, dass das Sofa verwanzt war. Gleichzeitig beobachtet Ciro von einem Dach aus, wie die Carabinieri seinen toten Freund Attilio in einem Leichensack abtransportieren. Attilio war bei einem riskanten Einsatz gestorben, vor dem alle ‚Soldaten‘ gewarnt und einen ‚Schlachtplan‘ gefordert hatten. Don Pietro aber hatte sich über alle hinweg gesetzt und schlichtweg befohlen, dass die Männer in ihren sicheren Tod gehen, weil er Conte zeigen muss, wer die Regeln macht. Die Männer haben trotz besseren Wissens gehorcht. Mit Hilfe des Sofas wird Don Pietro charakterisiert: Er macht sich keine Gedanken über andere Menschen. Das ganze Gerede über Familie und Ehre sind hohle Worthülsen. Für diese Art von Mafiamythos ist kein Platz in der Serie. Don Pietro will Geld und Macht und beides stellt er demonstrativ aus – mit der Inneneinrichtung.

In der nächsten Szene wird das Sofa noch einmal gezeigt. Es wurde auf einer illegalen Müllhalde unweit des Hauses entsorgt und ist schon Teil der Landschaft geworden. Der kleine Junge, der auf dem Screenshot zu sehen ist, versteckt sich dahinter und gewinnt dadurch das Spiel. Die Kinder haben nämlich Camorra gespielt – einer muss sich anpirschen, einer muss aufpassen und die anderen müssen auf Zuruf weglaufen. Damit ist das Sofa zur Landschaft geworden.

Mafia-Tradition

Mit den hohen Schauwerten steht die Serie in einer Traditionslinie, die sich in den 1960er und 70er Jahren im Kino etabliert hat, mit Filmen wie A ciascuno il suo von Elio Petri (1967), Il Sasso in bocca von Giuseppe Ferrara (1970), Confessione di un commissario di polizia al procuratore della repubblica von Damiano Damiani (1971) oder Cadaveri eccelenti von Francesco Rosi (1976) – die alle renommierte Regisseure des italienischen Kinos sind. All diesen Filmen ist gemein, dass sie hohe Schauwerte besitzen. Dazu zählen nicht nur die Actionszenen, sondern auch Erotikszenen sowie aufwendige Kostüme und exklusive Schauplätze. Außerdem wird neue Technik exzessiv eingesetzt, vor allem Zoomobjektive, Zeitlupen und die Möglichkeiten der Farbmanipulationen ausgelotet. Die Starschauspieler der Zeit, von wie zum Beispiel Franco Nero und Claudia Cardinale, fungieren als Publikumsmagneten.32 Viele dieser Filme beruhen auf erfolgreichen Büchern, hier ist vor allem der sizilianische Autor Leonardo Sciascia zu nennen. Die Mafiafilme bewegen sich zwischen Genre- und Autorenfilm und werden in den 1970er Jahren zum Markenzeichen des italienischen Kinos.33 Im Fernsehen wurde diese Tradition mit La Piovra (dt. Allein gegen die Mafia) ab 1984 bis in das Jahr 2001 weitergeführt. Sowohl die Filme als auch die Serie fanden ein europäisches Massenpublikum.

Filme und Serie erzählen die Geschichten über die Mafia im Genre des Politthrillers. Ein Ermittler kommt vom Festland nach Sizilien und versucht dort diverse Morde aufzudecken. Er stößt auf eine Mauer des Schweigens, denn die Gesellschaft Siziliens ist der omertà verpflichtet. Im Laufe der Handlung erhält er Einblicke in die Zusammenhänge, gleichzeitig wird er immer weiter isoliert und zum Schluss gar umgebracht, nur in ganz seltenen Fällen kann er fliehen.34 All diesen Erzählungen über das organisierte Verbrechen ist gemein, dass es keine Lösung gibt. Damit entziehen sich die italienischen Repräsentationen des organisierten Verbrechens der Rise-and-fall-Struktur der Narrationen und der Mischung aus Gangster-, Schicksal- und Ehrenmythos der US-amerikanischen Mafiafilme wie die Godfather-Trilogie von Francis Ford Coppola (1972, 1974, 1990) oder Scarface von Brian De Palma (1983).

Die nachfolgenden italienischen Mafiafilme wenden sich vermehrt Nicht-Kriminalisten zu. Zum Beispiel gehören die Männer der Eskorte, die in La Scorta von Ricky Tognazzi (1993) zwar der Polizei an, aber sie klären keine Fälle auf, sondern schützen einen Richter in Palermo. Sie erzählen auch von anderen Figuren, die sich gegen das organisierte Verbrechen stellen, indem sie das Gesetz der omertà brechen und die Mafia mit Worten bekämpfen wie Padre Puglisi in Alla luce del sole von Roberto Faenza (2005) oder Peppino Impastato in I cento passi von Marco Tullio Giordana (2000). Auch bei diesen Filmen endet der desperate Kampf gegen die Mafia mit dem Tod der Protagonisten. All diesen Darstellungen ist gemein, dass sie auf wahren Gegebenheiten basieren.

Einen Bruch mit dem etablierten Erzählmuster vollzieht der Film Romanzo Criminale von Michele Placido (2005). Romanzo Criminale führt mit Commissario Scialoja zwar noch eine Ermittlerfigur ein, die erfolglos bleibt, aber der Fokus liegt ganz auf der Bande um Dandy, Freddo und dem Libanesen, aus deren Perspektive vornehmlich erzählt wird.

Eine noch radikalere Zäsur setzt der Film Gomorra von Matteo Garrone aus dem Jahr 2008. Der Film gibt einen zentralen Protagonisten auf zugunsten von fünf Handlungssträngen mit insgesamt sieben Handlungsträgern: Die Geschichte des Schneiders Pasquale spielt in den Fabriken, die zu Dumpingpreisen für die Haute Couture nähen (1), Franco und Roberto zeigen das Geschäft mit dem Müll, hier vor allem die Entsorgung giftiger Abfälle (2), Don Ciro arbeitet innerhalb der Organisation als Buchhalter eines Clans und zahlt den Angehörigen toter oder inhaftierter Mitglieder monatlich den Lebensunterhalt aus (3), der dreizehnjährige Totò tritt dem Clan seines inhaftierten Vaters bei, um Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen (4) und die jugendlichen Delinquenten Marco und Ciro wollen gerade nicht unter einem Boss arbeiten, sondern frei jeglicher Organisation operieren (5). Die Figuren geben kein psychologisches Inneres preis, es wird nicht erklärt, wie sie zu dem wurden, was sie gerade sind. Die Kamera, und damit die Zuschauer, beobachten die Akteure lediglich in ihrem Alltag. Die Zuschauer werden weder auf der narratologischen noch auf der kinematographischen Ebene zur Empathie mit den Figuren aufgefordert. Außerdem wurden die Rollen nicht mit bekannten Stars besetzt, die über ihr Rollen- und Starimage Identifikationsangebote liefern könnten, sondern mit Laiendarstellern.35 Damit wendet sich der Film Gomorra zwar vom etablierten Figurenmuster der erfolglosen Gegenspieler der Mafia ab, wechselt aber nicht einfach auf die andere Seite und bietet nun die Gangster als Identifikationsfiguren an, sondern bleibt der Prämisse, keine mafiöse Identifikation zu liefern, treu.

Gomorra transmedial

10. Vele di Scampia

10. Vele di Scampia

Gomorra – La serie bildet zusammen mit dem Buch und dem Film eine transmediale Erzählung, die nicht von vorneherein als solche konzipiert wurde. Vielmehr scheint der Erfolg des Buchs zum Film und der des Films zur Serie geführt zu haben, eine Art Schneeballeffekt, wie Marie-Laure Ryan diese Art der sukzessiv weitergeführten Transmedialität bezeichnet.36 Die Serie nutzt den etablierten Kosmos von Gomorra und führt neue, bis dato unbekannte Protagonisten ein. Die große Konstante bildet der Schauplatz. Dass das Setting eine zentrale Rolle in der Serie spielt, spiegelt sich auf dem DVD-Cover wider. Hinter den Figuren sind die Vele di Scampia zu sehen, eines der bedeutendsten Bauwerke des sozialen Wohnungsbaus aus den 1970er Jahren, das im Hinterland von Neapel situiert ist und über Neapel und Italien hinaus (nicht zuletzt durch den Film) traurige Bekanntheit als sozialer Brennpunkt und Drogenumschlagplatz erlangt hat. Die Vele werden zum ‚Wahrzeichen‘ für die Erzählungen über die Camorra, zu einer visuellen Metapher des Authentizitätsanspruchs, den Buch, Film und Serie erheben. Außerdem dienen die Vele als eine ikonografische Verdichtung für den langwierigen und komplexen Krieg der Camorra in den Straßen in Kampanien von hohem Wiedererkennungswert, ähnlich den bekannten Ikonografien des kollektiven Bildgedächtnisses, etwa das Mädchen Kim Phúc oder die russische Flaggenhissung auf dem Reichstag.

An diese Bildikonografie knüpft die Serie an. Immer wieder gewährt sie einen Blick auf die brachiale Architektur der Vele, wie der Screenshot aus Folge 12 zeigt. Dieser Blick auf die Vele eignet sich in der Szene besonders, weil die Größe der Gebäude die relative Winzigkeit der Menschen (und damit ihre Unwichtigkeit im Geschehen) unterstreicht. In der Bildmitte ist der (winzige) Leichnam von Donna Imma zu sehen, die kurz zuvor von einem vorbeifahrenden Motorrad aus erschossen worden ist. Die Ausmaße der Infrastruktur bedingen, dass die Menschen auf der Straße, wenn sie den Mord überhaupt wahrnehmen konnten, nur sehr langsam darauf reagieren können; im Bild sind nur vier Passanten zu sehen, die sich langsam der am Boden liegende Frau nähern.

11. Panoramablick auf das Hinterland

11. Panoramablick auf das Hinterland

12. Danielino zielt auf die Vele

12. Danielino zielt auf die Vele

Während aber der Film die Vele in ihrem Inneren erkundet und ihre Architektur mit den Aussichtsplattformen, die eine perfekte Übersicht auf alle von außen herankommenden Personen bieten, wie etwa Polizisten, sowie den unzähligen Gängen – wenn die Polizei kommt, gibt es unzählige Möglichkeiten zu entkommen – als idealen Standort für mafiöse Geschäfte inszeniert, erforscht die Kamera in Gomorra – La serie die Umgebung um die Vele herum. Immer wieder gewährt die Kamera einen Panoramablick über die Landschaft und setzt die Vele als bekannte Landmarke ein, damit sich die Zuschauer orientieren können, wie die wenige Sekunden auseinanderliegenden Screenshots aus Folge 9 zeigen. Aber die Serie weitet den Handlungsspielraum aus und richtet ihren Blick vornehmlich auf die Architektur des Umlandes. Denn auch hier scheinen Infrastruktur und Architektur ideale Bedingungen bereitzustellen, um die kriminellen Bedürfnisse zu befriedigen.

13. Un-Ort

13. Un-Ort

14. Die Falle

14. Die Falle

Dies zeigt sich zum einen in einer menschenverachtenden, nur auf den Autoverkehr ausgelegten Infrastruktur, die zahlreiche verlassene Beton-Brachlandschaften hervorbringt. In dem linken, aus Folge 11 stammenden Screenshot verlässt Rosario, die rechte Hand von Ciro, gerade eine unter einer Brücke befindliche, illegale Müllkippe, auf der er die unter einer Plastikplane notdürftig versteckte Leiche der Chauffeurin und Helferin von Donna Imma neben alten Sofas und Kühlschränken ‚entsorgt‘ hat. Er hat nichts zu befürchten, weder dass die Leiche schnell entdeckt wird, noch dass er gesehen werden könnte, entsprechend langsam und ruhig bewegt er sich auch. Der rechte Screenshot aus Folge 12 zeigt eines der Autos, mit dem die jungen Soldaten von Genny zu einem ‚Einsatz‘ fahren. Der dunkle Tunnel wird dabei zur Falle: Die Autos werden von einem vorausfahrenden Fahrzeug angehalten, ein folgendes schneidet den Rückzugsweg ab und damit gibt es kein Entkommen mehr; alle Insassen werden erschossen, es gibt keine Zeugen. Aber nicht nur die Straßen an sich, auch die gesamte Infrastruktur bringt menschenleere Un-Orte hervor, passend für jedwede kriminelle Handlung: eine verlassene Fabrikhalle um zu foltern (wie schon beschrieben wurde), ein verlassenes Bauernhaus um sich zu verstecken (Danielino auf der Flucht vor Ciro), Brachlandschaften um Menschen oder Autos zu entsorgen.

Nicht nur die unbewohnte, zubetonierte Brachlandschaft schafft ideale Bedingungen für kriminelle Aktivitäten, auch die Architektur der Häuserblöcke mit ihrer verbundenen Dachflächen und den zahlreichen Auf- und Abgängen bieten Fluchtwege an, wenn etwa Ciro in Folge 12 mit seiner Familie flüchten muss. Die Wohnblocks wirken mit ihren vergitterten Eingangsbereichen wie Gefängnisse, nur dass der Gefängnisraum von einer Sekunde zur anderen wechseln kann: in Folge 11 zum Beispiel wollen die ‚Jungen‘ den ‚Alten‘ einen Denkzettel verpassen. Die Gitterstäbe und Wohnungstüren halten aber die Eindringlinge ab, schützen also die ‚Insassen‘. In Folge 12 werden die Wohnungen dann zur Falle, denn die Schutzbarrieren können ganz leicht überwunden werden. So glaubt beispielsweise der das Abendessen zubereitende Zecchinetta, dass seine Söhne klingeln und öffnet seinen Mördern die Tür.

Die Serie zeigt auch, dass nicht nur die Architektur an sich die Kriminalität begünstigt, sondern auch die Kultur des Wegsehens. Auf offener Straße können Menschen erschossen werden, ohne dass die Mörder sich Mühe geben müssten, ihr Gesicht zu verbergen, um unerkannt zu bleiben. So reagieren beispielsweise die Väter und Mütter, die am Rande des Sportplatzes stehen und ihren Kleinen beim Fußballspiel zuschauen, mit Flucht auf die Erschießung von zwei weiteren Zuschauern. Jeder packt sein Kind und rennt davon, nicht einer schaut nach den zwei Niedergestreckten. Die Einführung eines neuen Drogenumschlagplatzes offenbart einen weiteren Aspekt, nämlich die Okkupation von Architektur, wenn sie mit der Kultur des Wegsehens zusammentrifft.

15. Der neue Drogenumschlagplatz

15. Der neue Drogenumschlagplatz

16. Wachposten

16. Wachposten

Donna Imma wählt in Folge 7 einen Wohnblock mit einem großen offenen Platz als idealen Standort aus (zu sehen im linken Screenshot), um Drogen in großem Stil zu verkaufen. Die Wohnanlage ist großzügig angelegt, sonnendurchflutet und mit Sport- und Spielplätzen ausgestattet. Die Apartments sind mit vielen, teils deckenhohen Fenstern und Balkonen ausgestattet, die einen weiten Blick über den Platz und die Umgebung gewähren. Das Erdgeschoss allerdings besteht aus leerstehenden Geschäften, die von den Savastanos besetzt werden, um dort die Drogen herzustellen und auch zu verkaufen. Tag und Nacht bilden sich Menschenschlangen vor der Luke der Drogenausgabe. Die Bewohner aber sind nicht etwa verzweifelt, dass ihr Block derart von den Savastanons vereinnahmt und zur ‚Junkiehölle‘ wird, sondern die Bewohner werden zu Kollaborateuren. Vor allem die Frauen bitten um einen Arbeitsplatz im Drogenhandel, etwa für die gehbehinderte Tochter, oder um Hilfe bei finanziellen Problemen. Auch als eines Nachts der Kopf einer Mutter-Gottes-Statue abgeschlagen wird, führt dies nicht zu Zorn und Unmut. Die Hausbewohnerinnen erbitten lediglich eine neue Statue, die Donna Imma auch gewährt. Im Rahmen einer Prozession wird sie feierlich eingeweiht, alles während das Geschäft weiterläuft. Der Screenshot rechts zeigt den Blick vom Balkon einer Anwohnerin, die sich wegen Geldproblemen an Imma gewandt hat. Der Balkon bietet einen guten Überblick über den Platz und wird damit zur Einkommensquelle. Im Bild ist der Aufpasser zu sehen, der sich gerade seinen neuen Arbeitsplatz eingerichtet hat und ausprobiert, wie die Akustik ist.

Die Verbindung von Architektur und der Kultur des Wegsehens bzw. des Kollaborierens hat bereits der Film etabliert. Allerdings konnte sie im Film mit den Vele noch als singuläres Phänomen aufgefasst werden. Die Serie zeigt, dass jegliche Architektur von der Camorra okkupiert und auch ‚missbraucht‘ werden kann, wenn den Bewohnern die Kriminalität als einzige Wahlmöglichkeit erscheint. Dass die Camorra die Mischung aus Langeweile, Perspektivlosigkeit und Überlebenswillen der Menschen im neapolitanischen Hinterland nutzt, die keinen anderen Ausweg sehen um einen Arbeitsplatz zu bekommen, um auf Ungerechtigkeiten zu reagieren oder eine Aufgabe zu haben, „[m]a anche, banalmente, per sopravvivere, perché altro non è possibile scegliere.“37

Saviano hat die weitverbreitete Perspektivlosigkeit, die in der süditalienischen Bevölkerung und vor allem unter den jungen Männern herrscht, auch nach Erscheinen des Reportage-Romans Gomorra weiter verfolgt und in seinen 2007 publizierten Texten eindrücklich verdeutlicht.38 Dies führt zu einem weiteren wichtigen Aspekt in Bezug auf das transmediale Erzählen in Gomorra, nämlich auf welcher Grundlage die Serie erzählt bzw. von welcher Camorra sie spricht. Die Verankerung in der Realität ist bereits im Buch und im Film angelegt. Die Serie führt jetzt mit den Gangstern nicht nur eine neue Figurenperspektive ein, sondern sie berücksichtigt auch, wie sich die Camorra in den letzten zehn Jahren entwickelt hat. Schon die Figuren im Film waren realen Personen des Reportage-Romans entlehnt. Auch die Serienfiguren haben Vorbilder in der Realität und basieren auf weiteren Recherchen von Saviano. Valentini nennt Maurizio Prestieri, die rechte Hand des Clanchefs Paolo Di Lauro, als Vorlage für Ciro, und seinen Sohn Cosimo di Lauro für Genny, und legt dar, dass die Figurenzeichnungen bis ins Detail der Realität folgen.39 Die fiktive Erzählung erhebt damit einen Realitätsanspruch, ähnliches kennt man von The Wire.

17. Motorradfahrt als ‚Aus-Zeit‘

17. Motorradfahrt als ‚Aus-Zeit‘

Noch ein weiteres Element verweist auf den Rechercheprozess und auf die Art, wie die Fakten gesammelt wurden. Der junge Reporter im Buch beschreibt, wie er sich mit seinem Motorino durch die Straßen von Neapel und dem Hinterland bewegt und was er alles dabei erlebt. Dieses Moment des Fahrens nimmt auch die Serie auf und liefert die fehlenden Bilder. Lange Einstellungen von Auto- und Motorradfahrten wechseln sich mit Szenen an den schon beschriebenen Un-Orten ab. Damit erlangen die Zuschauer scheinbar Einblick in die Topographie der Camorra. Die langen Fahrten erinnern an das Cinéma vérité. Sie retardieren die Handlung und befreien die Serie so davon, eine Aktion nach der anderen zu präsentieren. Das Fahren ist häufig als ein Akt der Freiheit und auch der Ruhe inszeniert. Wenn sie fahren, können sie anscheinend alle Zwänge vergessen und einfach nur leben. Der obige Screenshot aus Folge 11 zeigt Gennys Gang als das, was sie auch sind, nämlich nicht nur Mörder, sondern unbeschwerte Teenager, denen die Straße zu gehören scheint. Während der Fahrten reflektieren die Figuren manchmal über das Geschehen oder aber sie hören Musik, singen vielleicht und fahren einfach nur von einem Ort zum anderen – dann werden die Zuschauer eingeladen nachzudenken.

Während das Fahren einem Realismus verpflichtet, der den Alltag beschreibt, sind die Bilder vom Fahren nicht realistisch inszeniert, mit einer Handkamera beispielsweise, sondern sie zeichnen sich durch hoch ästhetisierte Bilder aus, wie der obige Screenshot mit seinem symmetrischen Bildaufbau zeigt. Diese Form kann als Hyperrealismus bezeichnet werden. Mit den Fahrten können die Zuschauer den Raum erkunden, eine Raumerfahrung, die Rezipienten aus Computerspielen wie Grand Theft Auto kennen. Über diese „Wegesysteme“40, wie Stephan Günzel sie nennt, steht die Serie in einer strukturellen Verwandtschaft mit dem Computerspiel und nimmt auch eine ähnliche Funktion wahr: Die Zuschauer erleben den Raum, indem sie ihn mit den Figuren durchfahren. Außerdem werden die Un-Orte über die Straßen verbunden und somit in einen kartographischen Zusammenhang gebracht, der eine scheinbare Orientierung liefert. Aber die Übersichtlichkeit bleibt auf diese einzelnen Verbindungen beschränkt, denn das große Ganze, eine map aus der Vogelperspektive, bleibt den Zuschauern verwehrt. Damit sorgt die Serie, wie auch die Computerspiele, bei aller Übersichtlichkeit der einzelnen Wegstrecken „zugleich für die Unübersichtlichkeit der Gesamtlage.“41 Diese Ästhetik der Computerspiele nehmen allerdings nur die Zuschauer wahr, die damit vertraut sind. Gomorra – La serie greift so den bereits beschriebenen Generationskonflikt auch auf struktureller Ebene auf.

Noch ein weiterer Aspekt hinsichtlich der Ästhetik der Serie in Bezug auf ihre Eigenschaft als transmedialer Text soll hier angesprochen werden und das ist die Verbindung von Neorealismus und Noir. Fabrizio Cilento weist darauf hin, dass ein Faktor für den Erfolg des Reportage-Romans in der Verbindung von investigativem Journalismus mit einer „noir imaginary“42 liege. Diese Kombination unterscheide das Werk von allen anderen nichtfiktionalen Reportagen und akademischen Auseinandersetzungen, die sich mit dem organisierten Verbrechen beschäftigen. Da sich die meisten Kritiker in der Fiktion vs. Non-Fiktion-Debatte verstrickt hätten, sei dieser Aspekt übersehen worden. Cilento dagegen zeigt, dass gleich das im ersten Kapitel etablierte Setting mit dem Hafen von Neapel auf den amerikanischen Film Noir mit seinen dystopischen Bildern einer modernen Stadt, wie zum Beispiel in The Maltese Falcon von 1941 unter der Regie von John Huston, rekurriert.43 Auch der Film greift die dem Buch inhärente Noir-Ästhetik auf, nutzt sie aber anders:

While the book is an epic attempt at describing the larger-than-life apparatus of an all-invasive conspiracy, and to coherently represent fragmented pieces of the unknown, the film is a complementary tool that proceeds by giving autonomy to a series of minor, and apparently secondary episodes. These scenes portray the invisible everyday life under the state-within-the-state that criminality has constructed in the outskirts of Naples.44

Diesen hyperrealistischen Bildern im Noir-Stil stellt der Film authentische und realitätsnahe Bilder und Töne gegenüber, denn es wurde an Originalschauplätzen mit Laiendarstellern in der Sprache der Region gedreht, dabei wurde häufig eine Handkamera eingesetzt. Der Film verzichtet außerdem fast völlig auf den Einsatz von Musik, außer sie ist diegetisch motiviert, und die Lichtsetzung sieht aus als gäbe es keine.

Gleich die Anfangsszene des Films, die in einem Sonnenstudio spielt, zeigt den besonderen Mix aus Neorealismus und Noir. In langen Einstellungen erkundet die Kamera die lokalen Gesichter und Körper der Männer: Sie schaut auf fettglänzende Haut, feiste Gesichter, auf haarlose Nacken, auf muskulöse Arme, auf dicke Bäuche. Diese Körperstudien kippen ins Surreale und Hyperreale, weil die Sonnenbänke eingeschaltet sind und die gesamte Szenerie in ein intensives blaues Licht tauchen.

Gomorra – La serie übernimmt vom Film den Mix aus Neorealismus und Noir, verschiebt aber die Zusammensetzung zugunsten des Noir-Stils. So geht beispielsweise Ciro, nachdem er den Anschlag auf die Bar überlebt hat, in die Katakomben der Vele zu einer tropfenden Leitung und wäscht sich dort den Staub der Explosion von Hände und Gesicht. Im Vordergrund steht nicht, was er gerade durchgestanden hat, sondern wie das Wasser seinen Schatten spiegelt und welch surrealen Ort er aufsucht. Durch die kinematographischen Bilder stellt sich die Serie als Fiktion aus und macht sie sichtbar. Dadurch tritt ein Verfremdungseffekt auf und die Zuschauer können Distanz zum Geschehen erlangen. Gleichzeitig ist die Ästhetik global anschlussfähig, man kann von „global neo-noir“45 sprechen.

18. Die Noir-Ästhetik

18. Die Noir-Ästhetik

Gomorra – La serie in der Tradition der italienischen Sky-Serien

Der Pay-TV-Sender Sky Italia verfolgte ähnliche Programmstrategien wie das große Vorbild HBO in den späten 1990er Jahren: Zum Start im Jahr 2003 spezialisierte sich der Sender zunächst auf Sport und Film.46 Nachdem er sich erfolgreich etabliert hatte, setzte er auf Fernsehserien, zunächst auf US-amerikanische Importe, dann auf Eigenproduktionen. 2008 startete Sky Italia mit der sechsteiligen Miniserie Quo vadis, Baby? einen ersten Testlauf, zu dieser Zeit hatten sie über 4 Mio. Abonnenten.47 Der Mehrteiler im Noir-Stil mit der Privatermittlerin Giorgia Cantini im Zentrum basiert auf dem gleichnamigen Roman von 2004 und dem Film aus dem Jahr 2005. Die Produzenten griffen also auf einen Stoff zurück, der bereits erfolgreich Rezipienten gefunden hatte und von dessen Bekanntheit sie profitieren konnten. Diese risikominimierende Strategie48 des transmedialen Erzählens bewährte sich auch bei den zwei folgenden Eigenproduktionen: Wie Gomorra – La serie basiert auch Romanzo Criminale – La serie (2008-2010) auf Buch und Film, nämlich auf dem gleichnamigen, 2002 erschienenen Roman von Giancarlo de Cataldo und dem 2005 erschienen Spielfilm unter der Regie von Michele Placido.

Gomorra – La serie unterscheidet sich von den ersten beiden Produktionen in der Art und Weise, wie die Geschichte transmedial weitererzählt wird. Romanzo Criminale – La serie verleiht ganz nach dem Motto „each medium does, what it does best“49 den bereits in Buch und Film etablierten Figuren durch die Serialität mehr audiovisuelle Charaktertiefe. Außerdem werden durch Abweichungen in den drei Erzählungen Räume für die Zuschauerpartizipation eröffnet. Die Rezipienten können die Abweichungen suchen und sammeln,50 Fan-Expertentum entwickeln sowie Hierarchien ausbilden. Mit den Differenzen eröffnen sich Räume für Spekulationen. Zum Beispiel löste der finale Cliffhanger mit der Erschießung einer der zentralen Figuren, dem Libanesen, am Ende der ersten Staffel eine Diskussion im Internet mit ähnlichen Ausmaßen wie der berühmte Cliffhanger Who shot JR? am Ende der dritten Staffel von Dallas (1978-1991) aus, obwohl die Erzählung durch Buch und Film bekannt war. Die Rezipienten diskutierten, wer den Libanesen umgebracht haben könnte, und ob er ‚wirklich‘ tot sei oder vielleicht doch wieder zurückkehre.51 Die Zuschauer rezipierten die Serie als einen offenen Text im Sinne von Umberto Ecos offenem Kunstwerk und stellten sich die Frage Was wäre wenn?52 Wie bereits oben beschrieben wurde, folgt Gomorra – La serie dieser Art von Zuschauerbindung an die Figuren eben nicht.

Das vierte Projekt von Sky verlässt dieses Muster. Die Serie 1992, die erstmals im März 2015 ausgestrahlt wurde, beruht nicht auf einer bekannten und erfolgreichen Vorlage. Es scheint, dass der Sender sich mit den vorangegangenen Serienproduktionen sein eigenes Publikum geschaffen hat und nun nicht mehr auf etablierte Stoffe als Zugpferd angewiesen zu sein glaubt. 1992 erzählt anhand fiktiver Figuren die Auswirkungen des in den 1990er Jahren als Tangentopoli bekanntgewordenen Korruptionsskandals und beleuchtet damit einen weiteren Bereich des organisierten Verbrechens, allerdings nicht direkt im Mafiamilieu.

Alle Produktionen weisen eine starke Anbindung an Ereignisse der italienischen Geschichte auf, die eine weitere Strategie von Sky Italia darstellt. Das italienische Publikum kann sich mit den Erzählungen identifizieren, weil eine maximale kulturelle Nähe vorliegt.53 Damit steht Sky in direkter Konkurrenz zu den italienischen Sendern des dualen Systems, die ja auch ihr Publikum mit eigenproduzierten Serien zu unterhalten suchen.

Das organisierte Verbrechen ist zwar alltäglich im italienischen Fernsehen zu sehen, etwa in den Nachrichten, aber seit den 2000er Jahren wird es in fiktionaler Form nur als Zweiteiler dargeboten. Ähnlich wie in Deutschland werden auch in Italien die Prestigeproduktionen als Mehrteiler realisiert.54 Der Fernsehkritiker Aldo Grasso führt diese Entwicklung darauf zurück, dass die Programmverantwortlichen in den beengenden Strukturen des Senders einerseits vielen Personen gefällig sein müssen und andererseits ein Produkt entwerfen, dass seinen Glanz noch auf sie abwirft und nicht auf ihre Nachfolger.55 Erzählt werden die Geschichten öffentlicher Figuren, wie zum Beispiel die berühmten Mafiarichter Giovanni Falcone, l’uomo che sfido Cosa Nostra (2006) und Paolo Borsellino (2004). Diese fiktiven Kämpfe gegen die Mafia im etablierten Erzählmuster der Ermittler lösen keine nennenswerten Diskussionen aus. Die Sky-Serien Romanzo Criminale – La serie mit ihren insgesamt 22 Folgen und Gomorra – La serie mit bisher 12 Folgen stechen daher sowohl formal aufgrund ihrer Folgenzahl als auch aufgrund der Erzählperspektive aus der italienischen Senderlandschaft hervor. Auch auf der Ebene der Ästhetik setzen sich beide Serien von den italienischen Produktionen ab und entkommen so dem Provinzialismus des italienischen Fernsehens, wie es Grasso in Bezug auf Romanzo Criminale formuliert. 56

Da Sky in seinem Programm vor allem US-amerikanische Serien ausstrahlt und sich damit programmstrategisch sowohl formal als auch inhaltlich am großen Vorbild HBO orientiert, stehen die Sky-Serien in direkter Konkurrenz zu Serien, die mit dem Label Quality TV versehen sind. Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, müssen die Serien einerseits international anschlussfähig sein und andererseits sich von den anderen Quality Serien57 absetzen. Mit der Fokussierung auf Italien erhalten die Produktionen ein Alleinstellungsmerkmal und erlangen damit einen großen Wiedererkennungswert auf dem internationalen Markt. Gomorra – La serie wird in den Rezensionen mit den US-amerikanischen Darstellungen des organisierten Verbrechens von HBO verglichen, wie etwa mit The Sopranos (1999–2007) oder Boardwalk Empire (2010–2014). Die Bezüge werden aber nicht über die thematische Ähnlichkeit hergestellt, sondern auch über das Prädikat Quality Serien allgemein. Dabei wird Gomorra – La serie mit so unterschiedlichen Serien The Wire oder Game of Thrones verglichen.

Die Strategie des historisch und kulturell spezifisch lokalen Erzählens, um global zu bestehen, kann auch bei anderen europäischen Sendern beobachtet werden, sie werden zum Beispiel auch von dem dänischen Sender DR1 mit Borgen (2010–2013) und Forbrydelsen (dt. Kommissarin Lund – Das Verbrechen) (2007–2012) oder der BBC mit Sherlock (seit 2010) verfolgt.

Fazit

Gomorra – La serie bildet sowohl bezüglich ihrer Form als auch ihrer Ästhetik eine wiedererkennbare Televisualität aus, die zum Markenzeichen wird. Die Serie wird als transmedialer Text vom Universum Gomorra geprägt, aber auch die unterschiedlichen Traditionsformen des Erzählens über das organisierte Verbrechen sowie die Produktionszusammenhänge schreiben sich ein. Dies führt zu einer außergewöhnlichen Figurenzeichnung, die Charaktertransformation und Sollbruchstellen der Figuren nicht scheut, gerade weil das erklärte Ziel ist, dass sich die Zuschauer nicht mit den Figuren identifizieren sollen. Da sowohl die Figuren als auch die Narration komplex sind, können die Zuschauer keine definitiven Zuschreibungen vornehmen, sondern sie werden immer wieder kognitiv herausgefordert, die neue Situation zu bewerten. Zu dieser Strategie der Anziehung und Abschreckung werden Attraktionsmomente in Form von Schauwerten eingesetzt, die global anschlussfähig sind.

Abbildungsverzeichnis

  1. Cover der italienischen DVD
  2. ‚Kronprinz‘ Genny   (S01E02)
  3. Clanchef Genny (S01E09)
  4. Folterszene in einer verlassenen Fabrik (S01E09)
  5. Explosion 1 in der Bar (S01E01)
  6. Explosion 2 vor der Bar (S01E01)
  7. Interieur Casa Savastano (S01E01)
  8. Streit um das Sofa (S01E01)
  9. Das Ende des Sofas (S01E01)
  10. Vele di Scampia (S01E11)
  11. Panoramablick auf das Hinterland (S01E09)
  12. Danielino zielt auf die Vele (S01E09)
  13. Un-Ort (S01E11)
  14. Die Falle (S01E12)
  15. Der neue Drogenumschlagplatz  (S01E07)
  16. Wachposten (S01E07)
  17. Motorradfahrt als ‚Aus-Zeit‘ (S01E11)
  18. Die Noir-Ästhetik (S01E01)

  1. Eine ausführliche Beschreibung findet sich in diversen Episodenguides, exemplarisch in http://www.serienjunkies.de/gomorrah/season1.html (01.05.2015).

  2. Der deutsche Titel der Serie ist Gomorrha – Die Serie, der internationale Vertriebstitel ist Gomorrah – The Series. Da das ‚h‘ je nach Sprache an verschiedenen Positionen rückt, wird im Folgenden der Einfachheit halber der italienische Titel ohne ‚h‘ verwendet.

  3. Vgl. Roberto Saviano, „Perché sono tutti cattivi nella Gomorra che va in tv“, 10.06.2014, La Repubblica, http://www.repubblica.it/spettacoli/tv-radio/2014/06/10/news/perch_sono_tutti_cattivi_nella_gomorra_che_va_in_tv-88564974/ (01.04.2015). „Warum sind alle böse.“ (Übersetzung Verf.).

  4. Jason Mittell, „Authorship“, in Complex TV: The Poetics of Contemporary Television Storytelling, pre-publication edition (MediaCommons Press, 2012-13), http://mcpress.media-commons.org/complextelevision/authorship/ (13.04.2015), P23–24.

  5. Vgl. Ursula Scheer, „Sie halten sich für Götter“, 09.01.2014, http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tv-serie-gomorrha-sie-halten-sich-fuer-goetter-13199348-p2.html (25.04.2015).

  6. Jason Mittell, „Characters“, in Complex TV, http://mcpress.media-commons.org/complextelevision/character/ (13.04.2015), P46.

  7. Der deutsche Titel ist Kleingeld, ein weiteres Beispiel für die seltsamen und unergründlichen Wege der kulturellen Adaptionen. Vgl. Tanja Weber, Kultivierung in Serie: Kulturelle Adaptionen von Fernsehserien (Marburg: Schüren, 2012), 112f.

  8. Mittell, „Characters“, P26.

  9. Vgl. Mittell, „Characters“, P26.

  10. Vgl. Britta Hartmann, „Von roten Heringen und blinden Motiven. Spielarten Falscher Fährten im Film“, in Maske und Kothurn: Falsche Fährten in Film und Fernsehen, hrsg. von Patric Blaser, Andrea B. Braidt, Anton Fuxjäger, Brigitte Mayr, Internationale Beiträge zur Theater-, Film- und Medienwissenschaft, 53, Heft 2-3 (2007): 43ff.

  11. Vgl. Tanja Weber, Christian Junklewitz, „To Be Continued... Funktion und Gestaltungsmittel des Cliffhangers in aktuellen Fernsehserien“, in: “Previously on...” Zur Ästhetik der Zeitlichkeit neuerer TV-Serien, hrsg. von Arno Meteling, Isabell Otto, Gabriele Schabacher (München: Fink, 2010), 111–131, hier 121f.

  12. Vgl. Gudrun Dietz, Mythos der Mafia im Spiegel intermedialer Präsenz (Göttingen: V&R Unipress 2008), 16–19.

  13. Mittell, „Characters“, P16.

  14. „Die Herausforderung bestand darin, das Böse glaubwürdig aus seinem Inneren heraus zu erzählen und dabei die Erzählung leicht zu halten, ohne jemals Empathie zu erwecken.“ Saviano, „Perché sono tutti cattivi“ (Übersetzung Verf.).

  15. Vgl. Mittell, „Characters“, P47.

  16. Stellvertretend: Axel Schmitt, „Review Il Clan dei Savastano (01x01)“, 10.10.2014, http://www.serienjunkies.de/gomorrah/reviews/1x01-il-clan-dei-savastano.html (10.04.2015).

  17. Gerhard Maier, „Höchste Zeit für keine Helden: Die Mafia-Serie Gomorrha läuft ab Frühjahr im Free-TV“, 19.12.2014, http://www.spex.de/2014/12/19/hoechste-zeit-fuer-keine-helden-gomorrha/ (10.04.2015).

  18. Einzige Ausnahme ist die Figur des Gefängnisdirektors in dem ersten, lokalen Gefängnis (cacere di Poggioreale), in dem Don Pietro einsitzt. Beide Figuren sind als Gegenspieler inszeniert und kämpfen um die absolute Machtposition.

  19. „Il Bene non c’è” (Das Gute existiert nicht) Valerio Valentini, „Gomorra – La Serie: Riflessioni sulla nuova Camorra raccontata da Roberto Saviano e Stefano Sollima e sul loro stile narrativo“, http://www.academia.edu/7402726/La_nuova_Camorra_raccontata_da_Saviano_e_Sollima.Riflessionisu_Gomorra_-LaSerie (25.04.2015).

  20. Vgl. Margrethe Bruun Vaage, „Our Man Omar: Warum de Figur Omar Little aus The Wire so beliebt ist“, in Serielle Formen: Von den frühen Film-Serials zu aktuellen Quality-TV- und Onlineserien, hrsg. von Robert Blanchet, Kristina Köhler, Tereza Smid, Julia Zutavern (Marburg: Schüren, 2011), 211–227, hier 223ff.

  21. „Kein tröstender Balsam.“ Saviano, „Perché sono tutti cattivi“ (Übersetzung Verf.).

  22. „Das bringe ich nicht fertig“ (Übersetzung Verf.).

  23. Franco spricht wie fast alle Figuren neapolitanischen Dialekt. Im italienischen Untertitel steht: „Va fai pizza“, auf Deutsch: „Geh doch Pizza machen.“ „Ich habe dir ‘ne Chance gegeben.“ (Übersetzung Verf.). Die Szene kann man auf Youtube anschauen unter https://www.youtube.com/watch?v=9FbGfzxasnk (25.04.2015).

  24. Vgl. Falvia Cavaliere, „GOMORRAH: Crime goes global, language stays local“, European Journal of English Studies 14, Nr. 2 (2012): 173–188, hier 177–178.

  25. Vgl. Mittell, „Characters“, P20.

  26. Mittell, „Characters“, P23.

  27. Blakey Vermeule, Why Do We Care about Literary Characters? (Baltimore: The John Hopkins University Press, 2010), 88.

  28. Vgl. Antonella Latilla, „Anticipazioni Gomorra 2, la resa dei conti: Ciro, Genny o Conte?“, 12.06.2015, http://www.gossipetv.com/anticipazioni-gomorra-2-resa-dei-conti-ciro-genny-conte-120985 (25.04.2015). Vgl. auch dort die Kommentare.

  29. Valentini, „Gomorra – La Serie“.

  30. Schmitt, „Review Il Clan dei Savastano (1x01)“.

  31. Maier, „Höchste Zeit für keine Helden“.

  32. Vgl. Vorauer, Die Imaginationen der Mafia im italienischen und US-amerikanischen Spielfilm (Münster: Nodus, 1996), 34–36.

  33. Vgl. Markus Vorauer, Die Imaginationen der Mafia im italienischen und US-amerikanischen Spielfilm, 34.

  34. Vgl. Tanja Weber, „Living in the Moral Never Never Land – Organsiertes Verbrechen in Film und Serie“, in Aus Politik und Zeitgeschichte 63, Nr. 38–39 (2013): 40–46, 43–44.

  35. Vgl. Weber, „Living in the Moral Never Never Land“, 44–45.

  36. Marie-Laure Ryan, „Transmediales Storytelling und Transfiktionalität“, in Medien – Erzählen – Gesellschaft. Transmediales Erzählen im Zeitalter der Medienkonvergenz, hrsg. von Karl N. Renner, Dagmar Hoff und Matthias Krings (Berlin, Boston: De Gruyter, 2013), 88–117, hier. 89.

  37. „[…] aber auch, ganz banal, um zu überleben, weil man keine andere Wahl hat.” Valentini, „Gomorra – La Serie“ (Übersetzung Verf.).

  38. Die beiden Essays heißen „Il contrario della morte. Ritorni da Kabul“, erschienen in der Reihe I Documenti del Corriere della Sera und „Ragazzi di coca e di camorra“, erschienen in L’Espresso.

  39. Valentini weist auch auf die Übernahme diverser Namen hin und er glaubt, dass die Autoren sich einen Spaß daraus gemacht haben, mit den entliehenen Namen Überschneidungen mit Orten und Personen zu kreieren. So heißt beispielsweise Paolo di Laura mit Spitznamen Ciruzzo ’o milionario. Vgl. Valentini, „Gomorra – La Serie“.

  40. Stephan Günzel, „Raum, Karte und Weg im Computerspiel“, in Game over!? Perspektiven des Computerspiels, hrsg. von Jan Distelmeyer, Christine Hanke, Dieter Mersch (Bielefeld: transcript, 2008) 115–131, 117.

  41. Günzel, „Raum, Karte und Weg im Computerspiel“, 117.

  42. Fabrizio Cilento, „Saviano, Garrone, Gomorrah: Neorealism and Noir in the Land of the Camorra“, in Fast Capitalism 8.1.2011, http://www.uta.edu/huma/agger/fastcapitalism/8_1/cilento8_1.html (05.04.2015).

  43. Cilento, „Saviano, Garrone, Gomorrah“.

  44. Cilento, „Saviano, Garrone, Gomorrah“.

  45. Cilento, „Saviano, Garrone, Gomorrah“.

  46. Vgl. Frances K. Gateward, „Home Box Office: U.S. Cable Network“, in Encyclopedia of Television: Museum of Broadcasting Communication, hrsg. von Horace Newcomb, Bd. 2 (Chicago Ill.: Routledge, 1997) 783–784, hier 783.

  47. Im Jahr 2010 waren dann es 4,7 Millionen; damit konnte umgerechnet circa jeder fünfte italienische Haushalt Sky Italia empfangen. Die Zahlen sind dem beiliegenden Datenträger entnommen: IP International Marketing Committee: Television 2011: International Keyfact 16: Italy, Frankfurt/M., 2011, 8.

  48. Bjørn von Rimscha, „Risikomanagement in der Produktion und Entwicklung audiovisueller fiktionaler Unterhaltung“, in Zur Ökonomie der Unterhaltungsproduktion, hrsg. von Gabriele Siegert und Bjørn von Rimscha (Köln: Herbert von Halem, 2008), 178–203, hier 179ff.

  49. Henry Jenkins, Convergence Culture: Where Old and New Media Collide (New York, London: Univ Pr, 2006), 98.

  50. Exemplarisch sei ein Abschnitt des italienischen Wikipedia-Artikels zu Serie genannt, der sich den Differenzen widmet. Vgl. http://it.wikipedia.org/wiki/Romanzo_criminale_-Laserie#Differenze_fra_la_serie.2C_il_romanzo_ed_il_film (25.04.2015). Aber auch in vielen Interviews zur Serie sprechen die Interviewer die Unterschiede an.

  51. Für eine detaillierte Beschreibung und Analyse des Staffel-Cliffhangers und der verschiedenen Diskussionen vgl. Weber, „Romanzo Criminale“, 227–229.

  52. Mittell extrahiert What if? als eine zentrale und von der auf die Extension der Geschichte abzielende Frage What is? zu unterscheidende Fragestellung an transmediale Texte. Vgl. Mittell, „Transmedia Storytelling“, in Complex TV, http://mcpress.media-commons.org/complextelevision/transmedia-storytelling/ (25.04.2015), P51.

  53. Zum Konzept der kulturellen Nähe vgl. Joseph D. Straubhaar, Antonio C. La Pastina, „Multiple Proximities between Television Genres and Audiences“, in Gazette 67, Nr. 3 (2005): 271–288.

  54. Vgl. Weber, „Romanzo Criminale – Organisiertes Verbrechen als Erfolgsgarant“, 222.

  55. Vgl. Aldo Grasso, „Il Libanese e il Dandi: fiction riuscita“, http://www.corriere.it/spettacoli/09_gennaio_16/aldo_grasso_il_libanese_e_il_dandi_fiction_aa90b7f0-e39a-11dd-8cd2-00144f02aabc.shtml (02.05.2015).

  56. Vgl. Grasso, „Il Libanese e il Dandi: fiction riuscita“.

  57. Zum aktualisierten Konzept des Quality TV vgl. Robert Blanchet, „Quality TV: Eine kurze Einführung in die Geschichte und Ästhetik neuer amerikanischer TV-Serien“, in Serielle Formen: Von den frühen Film-Serials zu aktuellen Quality-TV- und Onlineserien, hrsg. von ders., Kristina Köhler, Tereza Smid, Julia Zutavern (Marburg: Schüren, 2011), 37–70.





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