Kulturalität im Film ocho apellidos vascos

Ironisches Spiel mit baskischen und andalusischen Klischees

Claudia Schlaak

ocho apellidos vascos, dt. acht namen für die liebe, Regie: Emilio Martínez-Lázaro, 98 Min. (Spanien: Lazonafilms, Kowalski Films, Telecinco Cinema, 2014).

Der Film ocho apellidos vascos (oder auf Deutsch 8 Namen für die Liebe) feiert in Spanien und darüber hinaus seit 2014 großen Erfolg in den Kinos. Regie führte Emilio Martínez-Lázaro, die Schauspieler in den Hauptrollen sind Clara Lago, Dani Rovira, Carmen Machi und Karra Elejalde. Es handelt sich um eine Komödie, die mit Witz, Charme, Romantik, Koketterie und vielen Turbulenzen aufwartet. Es ist sicher nicht übertrieben, den Film als ein Muss für Romanisten, in jedem Fall Hispanisten, und für jede/n, der das ironische Spiel mit regionalen Eigenarten liebt, zu bezeichnen.

In dem Film werden typische baskische und andalusische Klischees sowie die daraus abzuleitenden regionalen bzw. lokalen Besonderheiten thematisiert. Hierfür stehen die beiden Protagonisten, Rafa, der aus Andalusien stammt, und Amaia aus dem Baskenland. Aber auch die weiteren Charaktere, u.a. der Vater von Amaia oder die Freunde und Mitbewohner von Rafa, sind Stellvertreter der jeweiligen Kultur. Die spezifische Kulturalität, die viele Autonome Regionen in Spanien aufweisen und die erst seit dem Tod des Diktators Franco 1975 nach langer Unterdrückung wieder öffentlich dargestellt werden können, – 1979 wurde zum Beispiel der Status der Comunidad Autónoma del País Vasco gewährt – wird in diesem Film beispielhaft an sehr kontrastiven Beispielen aufgegriffen. Auffällig ist, dass die beiden Kulturen als sehr gegensätzlich und sich auch gegenseitig ablehnend dargestellt werden, wobei stark auf Stereotype und regionale Kulturstandards zurückgegriffen wird. Man kann regelrecht Feindseligkeiten feststellen, die gegenüber den Anderen/Fremden bestehen und geäußert werden. In einer andalusischen Bar werden zum Beispiel ganz selbstverständlich bösartige Witze über Basken gerissen. Oder Andalusier werden als faul dargestellt und von den Basken so auch bezeichnet; sie würden nicht arbeiten und nur feiern. Oder Basken seien alle Unabhängigkeitskämpfer, Hinterwäldler und unfreundlich. Klischees über Klischees werden im Film aneinandergereiht.

Die Thematik, die in dem Film aufgegriffen wird, ist ganz sicher nicht neu. Auch in anderen romanischen Ländern feierte die Filmindustrie mit diesem Genre bereits große Erfolge, wenn man beispielsweise an die Komödie bienvenue chez les ch’tis (deutsch: willkommen bei den sch’tis) denkt, die 2008 ein großer Erfolg in den Kinos in Frankreich und darüber hinaus war: Mehr als 20 Millionen Zuschauer sahen den Film1. Das Aufgreifen kultureller Eigenheiten scheint demnach derzeit ein Garant für einen erfolgreichen Film zu sein, denn auch die bisherigen Zuschauerzahlen in Spanien sprechen dafür, dass das Spiel mit regionalen, kulturellen und sprachlichen Identitäten und den damit einhergehenden Vorurteilen im Film beim Kinopublikum besonders gut ankommt. Bis 2015 haben bereits etwa 10 Millionen Zuschauer den Film ocho apellidos vascos gesehen.2

Allein der Titel des Films greift ein typisches Klischee auf, nämlich wird in einer Szene thematisiert, dass ein jeder waschechter Baske sich auf viele Nachnamen, abgeleitet aus den Familien väterlicher- und mütterlicherseits, beziehen kann, die er selbstverständlich alle problemlos aufzählen kann. Rafa, der junge Andalusier aus Sevilla, der sich in Amaia verliebt, soll ihren Vater – Typus kompromissloser, naturverbundener und rauer Ur-Baske – kontrafaktisch überzeugen, dass er auch Baske ist und hierzu gehört eben das Aufzählen von acht Nachnamen, die er beim ersten Treffen zwischen Vater in einer Bar aufsagt (siehe Abb. 1). Rafa stammelt die Namen Gabilondo, Urdangarín, Zubizarreta, Arguiñano, Igartiburu, Erentxun und Otegui heraus. Da er aber nur auf 7 „echte“ baskische Nachnamen kommt, nennt er noch als achten den Namen Clemente. Hierbei handelt es sich wohl um Namen berühmter Fußballer, denn Rafa schaut in der Bar auf das Plakat einer Fußballermannschaft, um sich Anregungen zu holen. Der Vater wird sofort misstrauisch, da Clemente nun kein typisch baskischer Name sei.

1. Erstes Treffen zwischen „Brautvater“, Amaia und Rafa, Stills aus www.youtube.com/watch?v=YfopzNHLp4o, Zugr.: 29.12.2015

1. Erstes Treffen zwischen „Brautvater“, Amaia und Rafa, Stills aus www.youtube.com/watch?v=YfopzNHLp4o, Zugr.: 29.12.2015

Die Handlung des Films ist recht einfach gestrickt. Rafa verliebt sich in Amaia in einer Flamencobar in Andalusien. Sie wollte dort ursprünglich mit Freundinnen ihren Junggesellinnenabschied feiern. Ihr baskischer Verlobter hat sie jedoch sitzengelassen; nun hat sie einen Berg Schulden und ist frustriert – und sitzt dazu noch in einem typischen Kostüm einer Flamencotänzerin (siehe Abb. 2) in der Flamencobar in Sevilla und regt sich in ziemlich angetrunkenem Zustand darüber auf, dass der Barmann Rafa öffentlich Witze über Basken erzählt.

2. Amaia in einer Flamencobar in Andalusien

2. Amaia in einer Flamencobar in Andalusien

Sie kontert lautstark und beschimpft die Andalusier. Die Hitze des Gefechts führt dazu, dass sie sich kennenlernen, begehren und eine Nacht miteinander verbringen. Amaia übernachtet bei Rafa – sie schläft jedoch ein, bevor es zum Sex kommt. Als sich Amaia am Morgen aus der Wohnung davonschleicht, vergisst sie jedoch ihre Tasche. Der verliebte Rafa will diese nun ins Baskenland bringen, da er seine Angebetete für sich gewinnen und sie von der Rückkehr nach Andalusien überzeugen will. Alle seine Freunde und sein Mitbewohner versuchen ihn davon abzubringen. Es sei doch aussichtslos. Rafa lässt sich jedoch nicht abbringen und damit nimmt die Geschichte ihren weiteren Lauf. Rafa muss für Amaia vor ihrem Vater so tun, als ob er ihr ursprünglicher, und damit baskischer, Verlobter wäre – Tochter und Vater hatten lange keinen Kontakt zueinander; nur so hat Rafa überhaupt eine Chance wieder in Kontakt mit Amaia zu treten, die ihm gegenüber bei seiner Ankunft im Baskenland sehr abweisend ist. Um jeden Preis möchte Rafa aber die Frau seines Herzens erobern – wenn da nur nicht die die Situation verkomplizierenden kulturellen Unterschiede, regionalen Eigentümlichkeiten und lokalen Besonderheiten wären. Verkomplizierend hinzukommt, dass Amaias Vater von seiner Frau verlassen wurde, und zwar pikanterweise für einen Mann aus Andalusien. Es kommt zu unangenehmen Situationen, Missverständnissen und vielen Schwierigkeiten. Doch nichtsdestotrotz verlieben sich Amaia und Rafa schließlich im Laufe der Verwicklungen ineinander und am Ende wird tatsächlich Hochzeit gefeiert.

Das Spiel mit baskischen und andalusischen Klischees und Vorurteilen ist die Stärke des Films, zugleich aber auch sein Schwachpunkt. Mit regionalen Klischees, lokalen Eigenarten und stereotypenhaften Vorurteilen wird im Film in vielfacher Weise gespielt. Auch wenn Emilio Martínez-Lázaro bewusst versucht, liebevoll und witzig die Voreingenommenheiten zu thematisieren und damit auch zum Nachdenken über die Bedeutung der eigenen (kulturellen) Identität anregt, bleibt doch zu kritisieren, dass dies nicht immer ausgezeichnet gelingt. Stellenweise ist das Aufgreifen von Klischees bzw. Vorurteilen sehr plump und oberflächlich. Nichtsdestotrotz thematisiert der Film auch, welche Schwierigkeiten und Hürden, sowie zugleich Chancen und Potenziale, bestehen, wenn unterschiedliche Sprach-/Kulturgemeinschaften aufeinander treffen und sich annähern. Er zeigt, dass die jeweiligen Gruppen – Rafa stellvertretend für die Andalusier und Amaia für die Basken – voll mit Vorurteilen und Engstirnigkeiten sind: Der aus dem sonnigen Sevilla stammende Andalusier, der glaubt Humor und Charme gepachtet zu haben, stellt sich das Baskenland als traurig-düster und verregnet vor – bei der Fahrt im Bus wird es Richtung Baskenland draußen immer dunkler und das Wetter verschlechtert sich. Andalusien liegt im Süden Spaniens an der Mittelmeerküste mit in der Regel trockenem Klima. Das Baskenland liegt dagegen im Norden Spaniens am Atlantik und am Fuße der Pyrenäen. Hier ist das Wetter sehr viel wechselhafter. Das Baskische bildet in der Romania zudem eine sprachliche Enklave. Allein durch die besonderen sprachlichen Charakteristika des Baskischen – bis heute konnte keine Verwandtschaft mit anderen Sprachen nachgewiesen werden; das Baskische kann weder der indogermanischen noch der uralischen Sprachfamilie zugeordnet werden3 – kommt es in gewisser Weise zu einer Isolierung der Sprecher und der Region an sich. Dadurch ist das Baskenland auch eine Art Enklave in Spanien, in die man wie Rafa als Durchschnitts-Andalusier nicht häufig reist. Rafa wird also mit einem mächtigen Gewittersturm empfangen und damit zunächst voll in seinen Vorurteilen bestätigt. Weiterhin hält er die Menschen hier für mürrisch und verdrießlich, wenn nicht gar grob und hinterwäldlerisch. Dieses Bild wird jedoch schon bei der Ankunft in Amaias Heimatort aufgebrochen: Der Regen hat sich verzogen und die Stadt präsentiert sich darüber hinaus sauber, modern und gepflegt. Die Menschen spielen in den Straßen – natürlich das typisch baskische Ballspiel Pelota – und sind freundlich. Ein weiteres Klischee wird bedient, als Rafa sich bei seiner „erzwungenen Verwandlung“ in Amaias baskischen Verlobten in die Rolle eines Autonomiekämpfers für das Baskenland hineinmanövriert – einfach weil er denkt, alle Basken müssten ja Unabhängigkeitskämpfer und Mitglied der Untergrundorganisation ETA sein –, damit er den Vater und die Freunde von Amaia von sich überzeugen kann. Weitere Regionaltypika, die den Filmzuschauern begegnen: Dem Magen des Andalusiers bekommen die derben baskischen Speisen nicht. Auch sind die Begrüßungen im Baskenland eher locker und kameradschaftlich, während in Andalusien eine herzliche Umarmung dazugehört. Des Weiteren ist Rafa ziemlich erschrocken darüber, wie die Basken und auch seine Angebetete sich kleiden und frisieren. Während er Amaia in Andalusien in einem wunderschönen Kleid, wie es eine Flamencotänzerin trägt, kennenlernte, pflegt sie hier einen regionaltypischen eher alternativen Kleidungsstil. Palästinensertücher, lockere T-Shirts mit Motiven, Kapuzenpullover oder Trainingsjacken sind ihr Stil. Klar wird im Laufe des Films in jedem Fall, dass Rafas anfängliches Ziel, Amaia mal so schnell aus dem in seiner Vorstellung so finsteren Baskenland zu „retten“, nicht so einfach zu erreichen ist. Seine wunderschöne Angebetete will einfach nicht in die andalusische Sonne zurückgeholt werden, denn sie fühlt sich in ihrer Heimat wohl und fest verwurzelt.

Durch die Gegenüberstellung der beiden Sprach- und Kulturgemeinschaften, Andalusier versus Basken, thematisiert Emilio Martínez-Lázaro die kulturelle Vielfalt Spaniens. Er zeigt dadurch auch, dass sich Kollektive immer durch bestimmte Merkmale von anderen Kollektiven unterscheiden. Gerade historische Gemeinschaften, die durch Geschichte und Gegenwart sowie den damit einhergehenden spezifischen Entwicklungen enge Verbindungen mit- und untereinander geschaffen haben, drücken sich über Symbole, Verhaltensweisen, positive und negative Attribute aus. Deutlich wird in dem Film, dass dieses Identitätsgefühl bzw. das Beharren auf identitären Markern tief verankert ist. Es drückt sich besonders deutlich aus, wenn eigene Sprachen bestehen, denn eine kollektive Identität ist stets im kommunikativ erworbenen und historischen Wissen der Sprecher verwurzelt.4 Diese Merkmale sind für den Sprach- und Kulturerhalt von Gemeinschaften immens wichtig, „denn jede Gruppenbildung verlangt nach Merkmalen, welche die neu entstehende Gruppe von anderen Gruppen erkennbar abgrenzt wie zum Beispiel Kleidung, Abzeichen, Sprache […] sowie nach einem Mindestmaß an interner Homogenität“5. Dies wurde bereits in mehreren empirischen Studien und weiteren Abhandlungen zu den Regional- und Minderheitensprachen in der Romania, unter anderem auch zur baskischen Sprachgemeinschaft6, nachgewiesen. Sportarten, Tänze, Musik, aber auch kollektive und individuelle Charaktereigenschaften sowie Traditionen sind über die Sprache hinaus wichtige Identitätsmarker. In Filmen, wie jenem von Martínez-Lázaro, wird vor allem mit diesen kulturellen Markern und traditionellen Eigenarten gespielt. Sprache spielt im Medium Film in der Regel ebenfalls eine wichtig Rolle, doch in ocho apellidos vascos wird trotzdem die baskische Sprache oder Andalusisch nur bedingt realisiert. Wir hören zwar die unterschiedliche Aussprache bei der Realisierung des Spanischen bzw. die dialektale Vielfalt oder stellenweise wird auch versucht, die baskische Aussprache nachzuahmen – doch nur vereinzelt wird die wirkliche Bedeutung der Sprache thematisiert. In der deutschen Synchronisation werden zudem die verschiedenen Varietäten überhaupt nicht mehr realisiert; hier sprechen alle Protagonisten ausschließlich Deutsch (ohne irgendeinen Akzent, eine markante Eigenart etc.). Rafa, der sich ja als ein echter Baske ausgibt, der sich zudem in seiner Rolle für die Unabhängigkeit des Baskenlandes einsetzt, wird in einer Szene aufgefordert die Reden, mit denen er seine Kumpanen in einer Bar und auf einer Demonstration (siehe Abb. 3) anheizen soll, doch auf Baskisch zu halten. Rafa kann sich nach einem kläglichen Versuch, Baskisch zu sprechen, nur durch einen Trick herauswinden, indem er nämlich behauptet, dass es wichtig sei, die Aussagen und Forderungen des baskischen Volkes laut auf Spanisch zu äußern, damit auch die Vertreter des spanischen Staats und Nicht-Basken diese verstehen könnten.

3. Demonstration im Baskenland im Film ocho apellidos vascos

3. Demonstration im Baskenland im Film ocho apellidos vascos

Seit Jahrhunderten ist die kulturelle und sprachliche Abgrenzung vom französischen und vom spanischen Staat ein wesentliches Merkmal der baskischen Gesamtregion. Man geht von etwa 3 Millionen Einwohnern auf einer Grundfläche von zirka 20.000 Quadratkilometern aus.7 Die meisten Basken erklären, dass die vier historischen Provinzen im Südbaskenland (also auf spanischem Gebiet) und die drei Provinzen im Nordbaskenland (also auf französischem Gebiet) ein unteilbares Baskenland darstellen, es handelt sich um ein Territorium „qui n’est ni français, ni espagnol. Plus proprement pyrénéen, en majeur part péninsulaire [...]“8. Daher ist es in der Wahrnehmung vieler Basken für die Wahrung der eigenen Identität so wichtig, auch die baskische Sprache sprechen zu können.

Durch die Gegenüberstellung von Andalusien und dem Baskenland anhand der beiden Hauptfiguren, aber auch anhand der Familien und Freunde von Amaia und Rafa, wird die Bedeutung der Autonomen Regionen in Spanien, also in einem stark föderal geprägten Nationalstaat, thematisiert. Dass ein Film ein solch brisantes politisches Thema aufgreift – immerhin gibt es ganz aktuelle Bestrebungen nach Unabhängigkeit von Spanien in Katalonien und immer virulent im Baskenland – und es gleichwohl schafft, zu einem solchen Erfolg zu werden, ist schon erstaunlich. Aber vielleicht ist das Thematisieren dieses „heißen Eisens“ auf spielerische Art auch gerade der entscheidende Grund für den Erfolg. In der politik- und regionalwissenschaftlichen Forschung ist in den letzten Jahren wiederholt festgestellt worden, dass in Europa die Bedeutung der Regionen wieder gewachsen ist. Es bilden sich zum Teil starke regionale Identitäten heraus, da die affektive Bindung zur (historischen) Region meist stärker ausgeprägt ist als zur Europäischen Union oder zum Nationalstaat selbst, da in der unmittelbareren Gemeinschaft ein stärkeres Zugehörigkeits- und Zusammengehörigkeitsgefühl ausgeprägt wird. In Regionen ist meist ein engeres soziales Netzwerk als bei Nationen vorhanden, da die Mitglieder durch einen näheren Kontakt miteinander verbunden sind9 und auch die Herausbildung einer Identität „entlang historisch vermittelter, kultureller, wirtschaftlicher oder politischer Grenzziehungen“10 bedingt wird. So werden mentale Grenzen geschaffen, denn bei Identität geht es immer um „die Verständigung auf ein Eigenes und die Abwehr eines Fremden“11, welches sich über Symbole darstellt. Deswegen hat es auch Rafa ganz besonders schwer, seine Geliebte von sich zu überzeugen. Er kommt schließlich aus Andalusien und sie aus dem Baskenland. Das geht scheinbar gar nicht zusammen.

Im Film wird zudem deutlich, dass die sprachliche und kulturelle Identität, die von Geburt an ausgeprägt wird, einem Menschen Grenzen in seiner eigenen Reflexion setzt. Rafa, der als Charmeur und Womanizer den Typus Vollblut-Andalusier vertritt, kämpft um seine Liebe, Amaia – Typus sture Baskin –, die in ihrer Einstellung, in ihren Ansichten und ihrer Meinung ebenfalls durch ihre Kultur geprägt wurde. Die Liebe zwischen den beiden Menschen kann jedoch eine ganze Weile nicht zur Entfaltung kommen, weil ihnen ihre Kulturen und Traditionen im Weg stehen. Sie überlagern jeglichen Kontakt miteinander. Rafa ist voller Vorurteile gegenüber Basken. Er muss im Laufe des Films nun nicht nur seine Einstellung ändern, sondern, da die Abneigung der Kulturen gegenseitig ist, auch Amaia und – vielleicht noch schwieriger – ihre Familie überzeugen, dass er der richtige ist. Es sei daran erinnert, dass er mit Amaia bevor er ins Baskenland kommt nur eine unspektakuläre Nacht, in der nichts richtig lief, hatte, sich aber in sie verliebte. Daher scheint er schon wiederholt ins Zweifeln zu kommen, ob die kulturellen Unterschiede, Klischees und Vorurteile, die er in sich selbst trägt und die auch die anderen prägen, überwindbar sind.

Grundsätzlich könnte man aus dem Kampf gegen Vorurteile und Klischees auch einen ernsten, dramatischen Film machen. Sicher zeichnet es den Regisseur aus, dies in eine leichte Liebeskomödie mit viel Kreativität, Fantasie und Ideenreichtum verpackt zu haben und so das Thema an eine größere Zielgruppe zu transportieren. Kritisch angemerkt werden muss jedoch, dass mit den Vorurteilen und Klischees nicht immer sehr feinfühlig umgegangen wird. Es muss naturgemäß offen bleiben, ob ein kultursensiblerer Umgang dem Witz und Erfolg des Films geschadet hätte. Dass während einer Demonstration ein Molotow-Cocktail fliegen muss und alle Basken als Freiheitskämpfer dargestellt werden, bedient aber ein doch sehr von Stereotypen geprägtes Bild und lässt auch wenig Raum von Reflexionen beim Rezipienten. Doch glücklicherweise ziehen sich die Plattitüden nicht durch den ganzen Film. Positiv ist zudem auch, dass es einen Charakter gibt, der als Typus dafür steht, dass man Vorurteile auch abbauen kann. Rafa lernt auf der Hinfahrt ins Baskenland in einem Bus die ältere Dame Mercedes kennen, die ebenfalls aus Andalusien stammt und für die Liebe ins Baskenland gezogen ist. Sie gibt sich später als seine Mutter aus und stimmt auch Amaias Vater milde. So kommen sich auch Amaias Vater und Rafas „Mutter“ durch gemeinsame Aktivtäten (siehe Abb. 4) näher.

4. Gemeinsame Bootstour mit der ganzen Familie (hier Mercedes und Amaias Vater)

4. Gemeinsame Bootstour mit der ganzen Familie (hier Mercedes und Amaias Vater)

Mercedes stellt von vornherein klar, dass es ihr im Baskenland sehr gefällt, auch wenn sie ihre Heimat manchmal vermisst und an andalusische Traditionen, zum Beispiel das Kochen eines regionaltypischen andalusischen Essens, zu dem sie Rafa einlädt, festhält. Damit widerspricht sie Rafas Vorurteilen und stellt gewissermaßen eine Brückenbauerin zwischen den Kulturen da.

Bei der Bewertung des Films und vor allem der Frage nach der Realisierung der Kulturalität muss ferner kritisch konstatiert werden, dass es stellenweise zu einer rein folkloristischen Darstellung kommt. Bei der grundsätzlichen Frage nach der sprachlichen und kulturellen Identität liegen Selbstbehauptung der Identität und folkloristische Darstellungen oft eng beieinander. Im Kontext der Erhaltung sprachlicher und kultureller Regionalität ist Folklore jedoch sehr kritisch zu bewerten, da hiermit oft auch ein Verlust des Authentischen verbunden ist, denn Traditionen werden häufig so für kommerzielle und/oder touristische Zwecke stereotypisiert. In ocho apellidos vascos werden einige Traditionen der Kulturgemeinschaften sehr folkloristisch dargestellt. Die Szene in der Flamencobar in Sevilla, als sich die Baskin Amaia und der Andalusier Rafa kennenlernen, ist ein Beispiel. Sie zeigt überschminkte Frauen und Männer und auch Amaia trägt – wohl im Rahmen ihres Junggesellinnabschieds – ein typisches Kostüm einer Flamencotänzerin. Es bleibt unklar, ob der Regisseur auf diese Art kritisch mit der andalusischen Kultur ins Gericht geht, weil er darauf aufmerksam machen will, dass der Flamenco nur noch zu aus dem ursprünglichen Kontext gerissenen Schauzwecken aufgeführt wird, um aufwendige Kostüme zu präsentieren und als Schauspiel auf einer Feier statt wie früher tatsächlich vom Volk ganz alltäglich praktiziert zu werden. In jedem Fall thematisiert der Film in seiner Gesamtheit, dass volkstümliche Eigenheiten und Traditionen wichtig sind für die Identitätsvergewisserung, jedoch auch Gefahren bergen, wenn es sich lediglich um eine künstliche Pflege von Traditionen handelt.

Der Film ocho apellidos vascos ist besonders jenen zu empfehlen, die etwa bienvenue chez les ch’tis mochten. Das Thema bleibt in der Romania aktuell und bewegt die Menschen. Auch wenn Toleranz, Akzeptanz und Offenheit in modernen demokratischen Gesellschaften mehr denn je selbstverständlich sein sollten, wird durch den Film deutlich, dass Voreingenommenheiten, Engstirnigkeiten und sogar Vorurteile nach wie vor auch in einem offenen Europa existieren. Der Film trägt demnach, zwar nicht immer ganz tiefgründig, aber doch einladend, dazu bei, über eingefahrenen Denkweisen nachzudenken. Zwar zeigt er die Kulturen sehr schematisch, doch steckt natürlich in jeder Überspitzung mindestens ein Körnchen Wahrheit. Sonst würde der Rezipient die kulturellen Bezüge gar nicht erkennen. Über das offene Herangehen an andere Kulturen wird jeder, wie auch Rafa, sehr schnell feststellen, dass diese interessant und bereichernd für den eigenen Horizont sind.


  1. „Willkommen bei den Sch’tis“, http://de.omdb.org/movie/8265-bienvenue-chez-les-chtis, Zugr.: 30.11.2015.

  2. „En abierto: ‚Ocho apellidos vascos‘ se estrena en simulcast en Telecinco y Cuatro“, http://www.telecinco.es/t5cinema/cine_2014/ocho_apellidos_vascos/Mediaset-Espana-simulcast-Telecinco-apellidos_0_2081625407.html, Zugr. 30.11.2015.

  3. Cf. Inititativ e.V.- Verein für Demokratie und Kultur von unten, Hrsg., Das Baskenland: demokratischer Ausnahmezustand und der Ruf nach Freiheit und Selbstbestimmung, (Duisburg, 2003), 32 oder Brigitte Rolssenn, Das Euskara – Das Baskische: Überlebenskampf einer kleinen Sprache und Kultur. Eine soziolinguistische Untersuchung der Situation des Baskischen in Frankreich, (München: Frank, 1985), 9.

  4. Bernd Schäfer und Bern Schlöder, „Nationalbewußtsein als Aspekt sozialer Identität“, in Geschichte und Geschichtsbewusstsein, hrsg. von Paul Leidinger und Dieter Metzler (Münster: Schnell, 1990), 309–46.

  5. Jan Wirrer, „Staat – Nation – Sprache: eine Gleichung, die – fast – nie aufgeht. Minderheiten und Regionalsprachen in Europa“, in Sprachen in Europa: Sprachpolitik, Sprachkontakt, Sprachkultur, Sprachentwicklung, Sprach­typologie, hrsg. von Dieter Metzing (Bielefeld: Aisthesis, 2003), 21–52; hier 27.

  6. Claudia Schlaak, Das zweigeteilte Baskenland: Sprachkontakt, Sprachvariation und regionale Identität in Frankreich und Spanien, (Berlin/New York: de Gruyter, 2014); Ibon Zubiaur, Wie man Baske wird, (Berlin: Berenberg, 2015).

  7. Vgl. Jean Haritschelhar, Être basque, (Toulouse: Editions Privat, 1983), 26; Robert Trask, The history of basque, (London: Routledge Verlag, 1997), 3 oder Zuazo, Koldo, „The Basque Country and the Basque Language: an overview of the external history of the Basque language“, in Towards a History of the Basque Language, hrsg. von José I. Hualde, Joseba A. Lakarra und Robert Trask (Amsterdam: Benjamins, 1995), 5–30; hier 5.

  8. Pierre Narbaitz, Le matin basque ou Histoire ancienne du peuple vascon, (Paris: Librairie Guénégaud, 1975), 11.

  9. Vgl. u.a. Manfred Bornewasser und Roland Wakenhut, „Nationale und regionale Identität: zur Konstruktion und Entwicklung von Nationalbewußtsein und sozialer Identität“, in Ethnisches und nationales Bewußtsein: zwischen Globalisierung und Regionalisierung, hrsg. von Manfred Bornewasser und Roland Wakenhut (Frankfurt am Main: Peter Lang, 1999), 41­–64 oder vgl. Hans-Georg Pott, „Nationale und regionale Identitäten im Zeitalter der Globalisierung“, in Regionalität als Kategorie der Sprach- und Literaturwissenschaft, hrsg. von Instytut Filologii Germańskiej der Uniwersytet Opolski (Frankfurt am Main: Peter Lang, 2002), 113–22.

  10. Massimo Martini und Roland Wakenhut, „Regionale Identität in Franken und in der Toskana“, in Ethnisches und nationales Bewußtsein: zwischen Globalisierung und Regionalisierung, hrsg. von Manfred Bornewasser und Roland Wakenhut (Frankfurt am Main: Peter Lang, 1999), 67–83, hier 68.

  11. Hermann Kurzke, „Regionalhymnen und kulturelle Identität“, in Regionalität als Kategorie der Sprach- und Literaturwissenschaft, hrsg. von Instytut Filologii Germańskiej der Uniwersytet Opolski (Frankfurt am Main: Peter Lang, 2002), 141–52.





Copyright (c) 2016 Claudia Schlaak

Creative-Commons-Lizenz
Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 International.